Expositionsschätzung für Pflanzenschutzmittel

Expositionsschätzung: Verbraucher

Überwachungsbehörden, Qualitätskontrolllaboren, Beratungsdiensten oder dem Risikomanagement fällt es oft nicht leicht zu beurteilen, ob ein Pflanzenschutzmittelrückstand in einer Lebensmittelprobe ein akutes oder chronisches Risiko für Verbraucher darstellt. Dies liegt vor allem daran, dass sie nicht immer Zugang zu den erforderlichen Informationen haben, da diese zum Teil nur den am Zulassungs- und Bewertungsverfahren für Pflanzenschutzmittel beteiligten Behörden vorliegen.

Das BfR hat deswegen verschiedene Bewertungshilfen für Expertinnen und Experten erstellt, mit denen beurteilt werden kann, ob ein Pflanzenschutzmittelrückstand in einer Lebensmittelprobe ein Verbraucherrisiko darstellt.

Verzehrsmodelle

Für die Risikobewertung von Rückständen aus Pflanzenschutzmitteln hat das BfR ein Modell zur Abschätzung von Lang- und Kurzzeitaufnahmemengen entwickelt. Es ergänzt das bereits im Jahr 2005 vom BfR veröffentlichte „VELS-Modell“, das auf repräsentativen Verzehrsdaten von deutschen Kindern im Alter von 2 bis unter 5 Jahren basiert. Zusätzlich stehen aus dem Jahr 2006 durch die Nationale Verzehrsstudie II (NVS II) umfangreiche und ebenfalls repräsentativ erhobene Informationen zum Verzehrsverhalten der deutschen Bevölkerung im Alter von 14 bis 80 Jahren zur Verfügung. Diese Verzehrsdaten sind aktueller als die VELS-Daten und berücksichtigen auch den Verzehr von solchen Lebensmit-teln, die von Kindern nur in untergeordnetem Maße verzehrt werden. Mit dem „NVS II-Modell“ können Risikobewertungen sowohl für Kinder als auch für Erwachsene auf Basis von Verzehrsdaten aus Deutschland vorgenommen werden. Darüber hinaus stellt die EFSA das Berechnungsmodell „PRIMO“ (Pesticide Residue Intake Model) zur Verfügung, mit dem das akute und chronische Risiko von Pflanzenschutzmittelrückständen auf Basis europäischer Verzehrsdaten berechnet werden kann (siehe Externe Links).

Zu den Verzehrsmodellen und weiteren Informationen:

Variabilitätsfaktoren

Wird der Rückstand eines Pflanzenschutzmittelwirkstoffs in einem Lebensmittel bestimmt, werden normalerweise nicht einzelne Einheiten, sondern Mischproben aus mehreren Einheiten untersucht. So erhält man ein insgesamt repräsentativeres Bild der Rückstandssituation. Sofern nicht von einer gleichmäßigen Vermischung einzelner Einheiten des Lebensmittels vor dem Verzehr auszugehen ist (z.B. Getreide), muss immer der Fall in der Bewertung berücksichtigt werden, dass Verbraucher eine einzelne, hoch belastete Einheit eines Lebensmittels verzehren.

Um sicherzustellen, dass Mischproben nicht zu einer Unterschätzung eines möglichen akuten Risikos führen, wird der Rückstand in der Mischprobe daher mit einem Variabilitätsfaktor multipliziert. Standardmäßig werden Variabilitätsfaktoren von 5 bzw. 7 (in Abhängigkeit vom Gewicht einer Einheit) verwendet. Diese sind in den Verzehrsmodellen voreingestellt. Auf der Basis von empirischen Daten aus Rückstandsstudien mit Pflanzenschutzmitteln, bei denen einzelne Einheiten anstelle von Mischproben untersucht wurden („Variabilitätsstudien“), wurde zudem eine Reihe spezifischer Variabilitätsfaktoren abgeleitet. Die spezifischen Faktoren liegen in den meisten Fällen zwischen 2 und 3 und ersetzen für die jeweilige Wirkstoff/Lebensmittel-Kombination den Standard-Variabilitätsfaktor. Das BfR stellt Informationen zu diesen spezifischen Variabilitätsfaktoren zur Verfügung.

Zur Information zu Variabilitätsfaktoren:

Verarbeitungsfaktoren

Landwirtschaftliche Erzeugnisse werden häufig nicht roh verzehrt, sondern vorher verarbeitet. Dadurch kann sich die Höhe der enthaltenen Rückstände von Pflanzenschutzmittelwirkstoffen verändern. Das Verhältnis des Rückstands im verarbeiteten Produkt zu dem im entsprechenden unverarbeiteten Erzeugnis wird als Verarbeitungsfaktor bezeichnet. Er gibt an, ob Rückstände bei dem entsprechenden Verarbeitungsprozess angereichert oder verringert werden. Verarbeitungsfaktoren werden typischerweise unter im Labor simulierten Verarbeitungsbedingungen ermittelt. Details solcher Studien, die im Rahmen von Zulassungsverfahren von den Herstellern von Pflanzenschutzmitteln vorgelegt werden müssen, sind nicht öffentlich zugänglich.

Das BfR bietet deshalb seit 2007 eine periodisch aktualisierte Zusammenstellung von Verarbeitungsfaktoren an. Seit dem Jahr 2018 gibt es außerdem die von der EFSA veröffentlichte EU-Datenbank zu Verarbeitungsfaktoren. Im September 2022 wurde die BfR-Datensammlung in die EU-Datenbank zu Verarbeitungsfaktoren integriert und steht nicht mehr als separate Datei zur Verfügung. Das BfR hat jedoch eine Benutzeroberfläche entwickelt, mit der die EU-Datenbank zielgenau durchsucht werden kann und relevante Ergebnisse übersichtlich grafisch und tabellarisch dargestellt werden. Zusätzlich bietet die Webanwendung Extrapolationsempfehlungen für verarbeitete Produkte an, zu denen bisher keine Verarbeitungsfaktoren in der Datenbank berichtet werden.

Zur Webanwendung:

Webanwendung zu Verarbeitungsfaktoren
 

 Weitere Informationen:

Expositionsschätzung: Anwender, Arbeiter, Anwohner und Nebenstehende

Das BfR führt die Expositionsschätzung anhand von Modellen mit zunächst sehr konservativen Annahmen durch. Dabei wird die Exposition für Anwender von Pflanzenschutzmitteln (i. d. R. Landwirte, aber auch Mitarbeiter im Gartenbau oder nicht-berufliche Anwender im Haus- und Kleingartenbereich) basierend auf dem sogenannten „Deutschen Modell“ ermittelt (Lundehn et al., 1992). Das für die Ermittlung der Exposition von Arbeitern bei Nachfolgearbeiten verwendete Modell wurde von Krebs et al. (2000) publiziert. Bei der Expositionsschätzung für berufliche Anwender kann ggf. berücksichtigt werden, dass der Kontakt mit den Pflanzenschutzmitteln, z. B. durch spezielle Arbeitsschutzkleidung, reduziert wird. Weitere Maßnahmen, wie etwa die Verwendung von anwendungsfertigen Pflanzenschutzmitteln, Köderboxen, kindersicheren Verschlüssen oder wasserlöslichen Beuteln, sind auch zum Schutz von nicht-beruflichen Anwendern bzw. der Allgemeinheit geeignet.

Die Leitlinien zur Berechnung der Exposition für Nebenstehende und Anwohner wurden von Martin et al. (2008) veröffentlicht. Dabei werden insbesondere Kinder berücksichtigt, da sie sich speziell in den ersten Lebensjahren in ihrem Verhalten deutlich von Erwachsenen unterscheiden. Kleinkinder stecken oft die Finger in den Mund oder verschlucken möglicherweise Gegenstände (z. B. Sand, Pflanzenteile). Ist eine mögliche Gefährdung unbeteiligter Personen beim Ausbringen der Präparate aufgrund dieser Abschätzungen nicht auszuschließen, sind entsprechende Maßnahmen, wie beispielsweise der Einsatz spezieller, abdriftmindernder Geräte, erforderlich.

Zu den Rechenmodellen und weiteren Informationen:



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