Bewertung von Tierarzneimittelrückständen in Lebensmitteln
Der Verbraucher hat Anspruch auf Lebensmittel, die keine gesundheitsbeeinträchtigenden Rückstände aus der Fütterung und der medizinischen Behandlung von Tieren enthalten.
Tierarzneimittel
Der verantwortungsvolle Umgang mit Tieren erfordert auch, Tierkrankheiten sinnvoll vorzubeugen bzw. kranke Tiere, wenn nötig, unter Einsatz von Arzneistoffen zu behandeln. Wenn solche Tiere als Lebensmittellieferanten dienen, besteht die Möglichkeit, dass geringe Mengen der Stoffe, die zur Behandlung eingesetzt wurden, in die Nahrungskette des Menschen gelangen (sogenannte "Rückstände"). Deswegen dürfen Arzneimittel bei Lebensmittel liefernden Tieren nur gezielt unter kontrollierten Bedingungen verwendet werden. Es muss so weit wie möglich ausgeschlossen werden, dass Menschen, die Lebensmittel von behandelten Tieren verzehren, Rückstände von Tierarzneimitteln aufnehmen, die ihre Gesundheit schädigen.
Rückstands-Höchstmengen für Tierarzneimittel
Vor der Zulassung eines Tierarzneimittels wird in umfangreichen wissenschaftlichen Studien geprüft, ob und welche Rückstände in den vom Tier gewonnenen Lebensmitteln auftreten könnten und in welchen Konzentrationen solche Rückstände, sofern keinlei gesundheitliches Risiko erkennbar ist, toleriert werden können. Man nennt die maximal duldbare Konzentration an Rückstanden in einem Lebensmittel eine Höchstmenge("Maximum Residue Limit", MRL). Die Zulassung eines Stoffes in einem Tierarzneimittel für Lebensmittel liefernde Tiere kann nur dann erfolgen, wenn das Verbraucherrisiko durch Rückstände ausreichend geprüft worden ist.
In der europäischen Gemeinschaft gibt es ein einheitliches Verfahren zur Festsetzung von Rückstands-Höchstmengen für Tierarzneimittel, das durch die Verordnung (EG) Nr. 470/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Mai 2009 „Über die Schaffung eines Gemeinschaftsverfahrens für die Festsetzung von Höchstmengen für Rückstände pharmakologisch wirksamer Stoffe in Lebensmitteln tierischen Ursprungs, zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 2377/90 des Rates und zur Änderung der Richtlinie 2001/82/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates“ geregelt wird.
In diesem Verfahren wird ein umfangreicher Kriterien-Katalog berücksichtigt, nach dem die verschiedensten potentiellen biologischen Wirkungen eines Stoffes geprüft werden wie z.B. die pharmakologische Aktivität, die mögliche akute und chronische Toxizität (Giftigkeit), eine mögliche Schädigung des Erbguts (Mutagenität), mögliche Schädigungen von Embryonen/Foeten (Teratogenität) und auch das tumorerzeugende Potential (Karzinogenität). Auf der Basis all dieser Untersuchungen und Erwägungen wird bestimmt, ob es eine unbedenkliche Dosis des Stoffes gibt, die selbst bei täglicher lebenslanger Aufnahme in der Nahrung ohne gesundheitliches Risiko ist ("Acceptable Daily Intake", ADI). Wenn eine solche Dosis abgeleitet werden kann, wird festgelegt wie hoch die Konzentrationen des betreffenden Stoffes in einzelnen Lebensmitteln wie Fleisch, Milch, Eier oder Honig sein dürfen (Höchstmengen), damit die duldbare tägliche Aufnahme, selbst wenn man alle diese Produkte in relativ großen Mengen isst, nicht überschritten wird. Stoffe, die in jeder noch so kleinen Konzentration im Lebensmittel bedenklich sind und für die deswegen kein ADI-Wert festgelegt werden kann, dürfen zur Behandlung von Lebensmittel liefernden Tieren prinzipiell nicht eingesetzt werden.
Die Höchstmengen bilden einerseits die Grundlage für die Festsetzung von Wartezeiten bei der Zulassung von Tierarzneimitteln: Die Wartezeiten legen die Zeitspanne fest, die nach der Verabreichung des Arzneimittels berücksichtigt werden muss, bevor aufgrund weitgehender Ausscheidung des Wirkstoffes wieder "sichere" Lebensmittel vom Tier gewonnen werden können (durch Melken, Absammeln von Eiern oder durch Schlachtung). Andererseits sind die Höchstmengen legal verbindliche Beurteilungswerte bei der Kontrolle von Lebensmitteln auf unerlaubte Rückstände von pharmakologisch wirksamen Stoffen.