Zahl der verwendeten Versuchstiere geht deutlich zurück
49/2021, 16.12.2021
Im Corona-Jahr 2020 wurden erheblich weniger Mäuse, Affen, Hunde, Katzen und Fische im Rahmen von Tierversuchen eingesetzt
Im Vergleich zum Vorjahr sank 2020 die Zahl der in Deutschland verwendeten Versuchstiere um etwa 14 Prozent. Insgesamt wurden rund 1,9 Millionen Wirbeltiere und Kopffüßer in Tierversuchen nach § 7 Absatz 2 des Tierschutzgesetzes eingesetzt. Das geht aus der Versuchstierstatistik hervor, die in diesem Jahr erstmals vom Deutschen Zentrum zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) veröffentlicht wird, das Teil des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) ist. „Seit einigen Jahren beobachten wir weitgehend stabile Versuchstierzahlen, für 2020 sehen wir erstmals einen starken Rückgang“, sagt BfR-Präsident Professor Dr. Dr. Andreas Hensel. „Ich gehe davon aus, dass sich der Rückgang durch das Engagement Deutschlands für mehr Tierschutz in diesem Bereich erklären lässt.“
- Verwendung von Versuchstieren im Jahr 2020
- Fragen und Antworten zu Tierversuchen, Alternativmethoden und Versuchstierzahlen
Der Schweregrad der meisten Versuche lässt sich als gering einstufen (etwa 67 Prozent). Der Anteil an Tierversuchen mit mittlerer Belastung lag bei etwa 24 Prozent, der mit schwerer Belastung bei nur vier Prozent. Knapp sechs Prozent erfolgten unter Vollnarkose, aus der die Tiere nicht mehr erwacht sind (keine Wiederherstellung der Lebensfunktion). Mehr Informationen zur Definition des Schweregrads: https://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2010:276:0033:0079:de:PDF
Erforschung von Krankheiten bei Mensch und Tier
Rund 58 Prozent der eingesetzten Versuchstiere dienten der Grundlagenforschung (zum Beispiel für Untersuchungen des Immun- und des Nervensystems) und etwa 13 Prozent der Erforschung von Krankheiten (beispielsweise Krebs) bei Mensch und Tier. Etwa 19 Prozent der Tiere wurden bei der Herstellung oder Qualitätskontrolle von medizinischen Produkten oder für toxikologische Sicherheitsprüfungen (etwa zur Wirksamkeit oder Unbedenklichkeit von Arzneimitteln und Impfstoffen) eingesetzt. Rund zehn Prozent wurden für sonstige Zwecke benötigt, wie zum Beispiel zur Aus- oder Weiterbildung oder für die Zucht von genetisch veränderten Tieren.
Bei etwa 78 Prozent der eingesetzten Versuchstiere handelte es sich um Nagetiere, vor allem um Mäuse und Ratten. Bei Mäusen (1.341.134 Tiere) ist, wie schon in den Jahren zuvor, ein deutlicher Rückgang festzustellen (2019: 1.438.336 Tiere). Auch die Zahl der Versuche an Affen und Halbaffen (2.031) ist im Vergleich zum Vorjahr (3.276) stark rückläufig. Menschenaffen wurden in Deutschland zuletzt 1991 für wissenschaftliche Zwecke eingesetzt.
Die Anzahl der eingesetzten Hunde (2.560) ist 2020 stark zurückgegangen (2019: 3.519). Hunde und Katzen werden insbesondere zur Erforschung von Tierkrankheiten sowie für die gesetzlich vorgeschriebenen Prüfungen von Tier- und Humanarzneimitteln eingesetzt. Die Anzahl der 2020 verwendeten Katzen (644) ist ebenfalls deutlich gesunken (2019: 954).
2020 wurden in Tierversuchen 227.996 Fische eingesetzt. Die Zahl war 2019 (347.543) im Vergleich zu den Vorjahren stark gestiegen, was sich mit Versuchen zur Arterhaltung, insbesondere zu den Auswirkungen von Wasserkraftanlagen, erklären lässt. Im Jahr 2020 ist die Anzahl der eingesetzten Fische wieder stark gesunken.
Zusätzlich zu den Tierversuchen werden in Deutschland auch Tiere gemeldet, die für wissenschaftliche Zwecke getötet wurden, beispielsweise um deren Organe oder Gewebe für Zellkulturen zu verwenden. Auch die Anzahl dieser Tiere (633.784) ging im Jahr 2020 um rund neun Prozent zurück (2019: 699.756).
Anteil von genetisch veränderten Tieren gestiegen, aber weniger Versuchstiere insgesamt
Der Anteil der genetisch veränderten Tiere lag bei etwa 48 Prozent und ist im Vergleich zum Vorjahr leicht gestiegen (2019: 43 Prozent). Zum Einsatz kamen hier insbesondere e Mäuse (89 Prozent) und Fische (zehn Prozent). Genetisch veränderte Tiere wurden vor allem in der Grundlagenforschung verwendet. Hier spielen genetische Faktoren eine bedeutende Rolle. Durch genetisch veränderte Tiere werden die Erforschung von Krankheiten wie Diabetes, Krebs, Alzheimer oder Infektionen sowie deren Therapie verbessert - und in manchen Fällen erst ermöglicht. Obwohl der prozentuale Anteil der genetisch veränderten Tiere gestiegen ist, ist die Gesamtzahl der genetisch veränderten Tiere um vier Prozent im Vergleich zum Vorjahr gesunken.
Die Versuchstierzahlen wurden bislang vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) veröffentlicht. Diese Aufgabe ist seit diesem Jahr dem BfR übertragen worden. Das Deutsche Zentrum zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) ist Teil des BfR. Es erforscht Alternativen zu Tierversuchen.
Strenge Vorgaben durch das Tierschutzgesetz
Das Tierschutzgesetz macht strikte Vorgaben für Tierversuche. Es legt fest, für welche Zwecke Tierversuche erfolgen dürfen. Bei der Entscheidung über eine Genehmigung muss insbesondere immer geprüft werden, ob der verfolgte Zweck nicht durch andere Methoden oder Verfahren erreicht werden kann.
Die Genehmigung und Kontrolle von Tierversuchen ist Aufgabe der zuständigen Behörden in den Bundesländern. Die Landesbehörden übermitteln die Versuchstierzahlen an das BfR, das die Daten sammelt, aufbereitet und an die Europäische Kommission weiterleitet. Grundlage für diese Berichtspflicht ist die EU-Versuchstierrichtlinie 2010/63/EU.
Über das Bf3R
Das Deutsche Zentrum zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) wurde im Jahr 2015 gegründet und ist integraler Bestandteil des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR). Es koordiniert bundesweite Aktivitäten mit den Zielen, Tierversuche auf das unerlässliche Maß zu beschränken und Versuchstieren den bestmöglichen Schutz zu gewährleisten. Darüber hinaus sollen weltweit Forschungsaktivitäten angeregt und der wissenschaftliche Dialog gefördert werden.
Über das BfR
Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) ist eine wissenschaftlich unabhängige Einrichtung im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL). Es berät die Bundesregierung und die Bundesländer zu Fragen der Lebensmittel-, Chemikalien- und Produktsicherheit. Das BfR betreibt eigene Forschung zu Themen, die in engem Zusammenhang mit seinen Bewertungsaufgaben stehen.