Fragen und Antworten zu Tierversuchen, Alternativmethoden und Versuchstierzahlen

Aktualisierte FAQ des BfR vom 11. Dezember 2023

Änderungen gegenüber der Version vom 19. Dezember 2022: Diverse Aktualisierungen. Neue Fragen: „Was versteht man unter „Schweregrad“ beim Tierversuch?", „Wenn ein Tier verwendet wird, bedeutet das automatisch, dass es getötet wird?", „Was versteht man unter „Haltungskapazitäten“?"

Tierversuche werden für die Beantwortung wissenschaftlicher Fragestellungen durchgeführt, aber nicht jede wissenschaftliche Fragestellung rechtfertigt einen Tierversuch. Im Tierschutzgesetz ist festgelegt, zu welchem Zweck Tierversuche durchgeführt werden dürfen, welche organisatorischen und technischen Voraussetzungen erfüllt sein müssen und welche Anforderungen an die Qualifikation des Personals gestellt werden.

Zu den zulässigen Zwecken eines Tierversuchs zählen insbesondere die Grundlagenforschung, die Diagnose und Behandlung von Krankheiten bei Menschen und Tieren sowie die Sicherheitsüberprüfung von Arzneimitteln und Chemikalien. Das Tierschutzgesetz schreibt jedoch vor, dass Tierversuche nur dann durchgeführt werden dürfen, wenn sie zur Beantwortung der wissenschaftlichen Frage unerlässlich sind und in der Güterabwägung zwischen dem erwarteten Erkenntnisgewinn und dem erwarteten Leiden der Tiere ethisch vertretbar erscheinen.

Wenn es zuverlässige Alternativmethoden gibt, müssen diese anstelle der Tierversuche angewendet werden. Das Deutsche Zentrum zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) am Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) fördert die Entwicklung, die Validierung und den Einsatz solcher alternativen Methoden zum Tierversuch. Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) erfasste bis zum Jahr 2019 die jährliche Anzahl der Tiere, die in Versuchsvorhaben in Deutschland verwendet wurden und veröffentlichte diese Zahlen auf seiner Webseite. Seit dem Jahr 2015 werden diese Zahlen auch an die Europäische Kommission übermittelt. Mit der geänderten Versuchstiermeldeverordnung vom 11. August 2021 wurde diese gesetzliche Aufgabe dem BfR übertragen. Dementsprechend veröffentlicht das BfR die Zahlen seit dem Jahr 2020 auf seiner Bf3R-Webseite (www.bf3r.de).

Das BfR hat zu Tierversuchen, Alternativmethoden und der jährlichen Meldung der Versuchstierzahlen ausgewählte Fragen und Antworten zusammengestellt.

nach oben

Allgemeine Fragen zu Tierversuchen und ihren rechtlichen RegelungenWas sind Tierversuche?

Tierversuche im Sinne des deutschen Tierschutzgesetzes sind Eingriffe oder Behandlungen an Tieren, die der Beantwortung einer wissenschaftlichen Fragestellung dienen und die mit Schmerzen, Leiden oder Schäden für diese Tiere oder ihre Nachkommen einhergehen können. Ebenso fallen die Veränderung des Erbguts von Tieren und die Zucht genetisch veränderter Tierlinien unter den Begriff des Tierversuchs, wenn die Nachkommen aufgrund der genetischen Veränderungen Schmerzen, Leiden oder Schäden erfahren können. Auch Eingriffe und Behandlungen an Tieren, die nicht direkt der Beantwortung einer wissenschaftlichen Fragestellung dienen, gelten dann als Tierversuch, wenn sie durchgeführt werden, um Stoffe und Produkte (z. B. Antikörper) herzustellen oder Organismen (z. B. Parasiten) zu vermehren, mit denen anschließend wissenschaftliche Fragestellungen bearbeitet werden. Als Tierversuche gelten beispielsweise auch die Entnahme von Organen oder Geweben für eine Transplantation, das Anlegen einer Kultur, die Untersuchung an isolierten Organen oder Geweben zu wissenschaftlichen Zwecken, das Anbringen von Peilsendern bei Wildtieren sowie Eingriffe und Behandlungen zur Aus-, Fort- oder Weiterbildung an lebenden Tieren.

Fragen zu Alternativmethoden zum TierversuchWas tut die Bundesrepublik Deutschland, um Tierversuche zu reduzieren?

Die Bundesrepublik Deutschland ist bestrebt, die Anzahl verwendeter Tiere in Versuchen zu senken. Aus diesem Grund werden verschiedene Projekte initiiert und unterstützt, die zum Ziel haben, Tierversuche möglichst schnell durch alternative Methoden zu ersetzen. Dazu gehören unter anderem die Errichtung und der Betrieb des Deutschen Zentrums zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) durch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL), die Forschungsförderung durch das BfR, die Unterstützung der Stiftung zur Förderung der Erforschung von Ersatz- und Ergänzungsmethoden zur Einschränkung von Tierversuchen (SET) sowie die jährliche Vergabe des Tierschutzforschungspreises des BMEL. Das Bf3R forscht zudem an der Entwicklung von Methoden zum Ersatz und zur Reduktion von Tierversuchen. Darüber hinaus betreibt es Forschungsprojekte, um das Wohlergehen von Versuchstieren zu verbessern. Das BfR hat weitere Fragen und Antworten zum Bf3R hier zusammengestellt: hier zusammengestellt.

Wer darf Tierversuche durchführen?

Das Tierschutzgesetz legt fest, dass Tierversuche grundsätzlich nur von Personen durchgeführt werden dürfen, die die dafür erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten besitzen. Dafür ist in der Regel ein abgeschlossenes Hochschulstudium der Veterinärmedizin, der Medizin oder der Zahnmedizin erforderlich. Tierversuche ohne operativen Eingriff dürfen auch von Personen mit einem abgeschlossenen naturwissenschaftlichen Hochschulstudium durchgeführt werden, sofern sie nachweislich die erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten haben, sowie von Personen, die im Rahmen einer abgeschlossenen Berufsausbildung die erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten erworben haben. In jedem Fall müssen gegenüber der genehmigenden Behörde vor Beginn der Mitarbeit in einem Versuchsvorhaben die erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten nachgewiesen werden.

Wann darf ein Tierversuch durchgeführt werden?

Grundsätzlich darf ein Tierversuch nur durchgeführt werden, wenn hierfür eine Genehmigung der zuständigen Behörde vorliegt. Voraussetzung für eine Genehmigung ist, dass das Tierversuchsvorhaben zu einem nach dem Tierschutzgesetz genehmigungsfähigen Zweck durchgeführt werden soll und dafür unerlässlich ist. Die wissenschaftliche Frage darf nicht schon beantwortet sein, und sie darf nicht durch eine andere Methode als den Tierversuch beantwortet werden können. In einem Tierversuchsvorhaben müssen die dem Tier zugefügten Schmerzen, Leiden oder Schäden auf ein nicht mehr reduzierbares Maß verringert werden. Alle Personen, die an der Durchführung der Versuche oder der Betreuung der Tiere beteiligt sind, müssen die dafür erforderliche Qualifikation besitzen.

Tierversuchsanträge werden unter anderem nur genehmigt, wenn plausibel begründet ist, dass die zu erwartenden Schmerzen, Leiden oder Schäden der Tiere im Hinblick auf den Versuchszweck ethisch vertretbar sind. Dazu gehört auch die Beachtung des 3R-Prinzips (Replacement, Reduction, Refinement). Das 3R-Prinzip wurde bereits im Jahr 1959 durch die britischen Wissenschaftler William Russell und Rex Burch etabliert und wird im Genehmigungsprozess insofern herangezogen, als dass den Tieren nur in dem Maße Schmerzen, Leiden und Schäden zugefügt werden dürfen, als es für den verfolgten Zweck unerlässlich ist, und die Versuche nicht durch Alternativmethoden ersetzt (Replacement) werden können. Darüber hinaus muss die verwendete Tierzahl auf das absolut notwendige Minimum reduziert (Reduction) und die Belastungen der Tiere maximal vermindert (Refinement) werden.

Welche rechtlichen Regelungen gelten für Tierversuche?

Tierversuche sind in Deutschland durch das Tierschutzgesetz geregelt, das seit dem Jahr 2002 verfassungsrechtlich auf dem Staatsziel des Tierschutzes nach Art. 20a des Grundgesetzes beruht. Im Jahr 2010 wurde die EU-Richtlinie 2010/63/EU zum Schutz der für wissenschaftliche Zwecke verwendeten Tiere verabschiedet. Im Jahr 2013 wurden die darin verankerten Regelungen durch die Überarbeitung des Tierschutzgesetzes in deutsches Recht umgesetzt. Gleichzeitig trat die neue Tierschutz-Versuchstierverordnung in Kraft. Sie konkretisiert die im Tierschutzgesetz festgelegten Rahmenbedingungen. Das Tierschutzgesetz bestimmt beispielsweise, dass eine Person, die Tierversuche durchführt, über die entsprechenden Kenntnisse und Fähigkeiten verfügen muss. In der Tierschutz-Versuchstierverordnung ist die erforderliche Qualifikation genauer beschrieben. Gleiches gilt beispielsweise auch für den Inhalt von Aufzeichnungen, die über einen Tierversuch geführt werden müssen. Das Tierschutzgesetz ist in zwölf Abschnitte unterteilt. Im Abschnitt 5 „Tierversuche“ des Tierschutzgesetzes (§§ 7-9) ist verankert, dass Tierversuche im Hinblick auf die zugefügten Schmerzen und Leiden sowie die Zahl der verwendeten Tiere auf das geringst mögliche Maß zu beschränken sind und nur durchgeführt werden dürfen, wenn sie zu einem bestimmten Zweck unerlässlich sind. Tierversuche an Wirbeltieren oder Kopffüßern sind grundsätzlich genehmigungspflichtig.

Welche gesetzlichen Regelungen für Tierversuche gelten neben dem Tierschutzgesetz für Chemikalien?

Die europäische Chemikalienverordnung REACH (Registration, Evaluation, Authorisation and Restriction of Chemicals, 1907/2006/EG) regelt die Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung von Chemikalien in der Europäischen Union). REACH beruht auf dem Grundsatz, dass Hersteller und Verwender von Chemikalien sicherstellen müssen, dass die chemischen Stoffe die menschliche Gesundheit und die Umwelt nicht schädigen. Nach den Standardinformationsanforderungen für Chemikalien nach den Anhängen VII-X der REACH-Verordnung können Tierversuche erforderlich sein. Um die Notwendigkeit umfangreicher tierexperimenteller Studien hierfür möglichst gering zu halten, sollen soweit wie möglich Tierversuche vermieden und tierversuchsfreie Methoden verwendet und entwickelt werden. Versuche an Wirbeltieren sollen nur als letzte Möglichkeit durchgeführt werden. Entsprechende Studien dürfen nicht wiederholt bzw. von verschiedenen Herstellern separat durchgeführt werden, sondern die Ergebnisse einer bestimmten Studie sollen von verschiedenen Herstellern gemeinsam genutzt werden.

Welche gesetzlichen Regelungen für Tierversuche gelten neben dem Tierschutzgesetz für Pflanzenschutzmittel und Biozide?

Die EU-Verordnung Nr. 1107/2009 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln und die EU-Verordnung Nr. 528/2012 über die Bereitstellung auf dem Markt und die Verwendung von Biozidprodukten regeln die Zulassungsvoraussetzungen für Pflanzenschutzmittel, Biozide und deren Wirkstoffe innerhalb der Europäischen Union. Dabei sehen die Verordnungen vor, die erforderlichen Tierversuche im Rahmen der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln und Bioziden zu minimieren. Auch hier sollen Versuche an Wirbeltieren nur als letzte Möglichkeit durchgeführt werden. Entsprechende Studien dürfen nicht wiederholt werden, sondern sollen von verschiedenen Herstellern gemeinsam genutzt werden.

Welche gesetzlichen Regelungen für Tierversuche gelten neben dem Tierschutzgesetz für Kosmetika?

Tierversuche im Zusammenhang mit Kosmetika sind innerhalb der Europäischen Union durch die Verordnung Nr. 1223/2009 grundsätzlich verboten. Das Verbot gilt für kosmetische Fertigprodukte sowie für Bestandteile und Kombinationen von Bestandteilen. Auch das Inverkehrbringen von an Tieren getesteten Kosmetikprodukten und Kosmetikprodukten, deren Bestandteile an Tieren getestet wurden, ist verboten. Als kosmetische Mittel gelten hierbei Stoffe oder Gemische, die dazu bestimmt sind, äußerlich mit den Teilen des menschlichen Körpers (Haut, Haare, Nägel usw.) oder mit den Zähnen und den Schleimhäuten der Mundhöhle in Berührung zu kommen, und zwar zu dem ausschließlichen oder überwiegenden Zweck, diese zu reinigen, zu parfümieren, ihr Aussehen zu verändern, sie zu schützen, sie in gutem Zustand zu halten oder den Körpergeruch zu beeinflussen. Waren die Tierversuche aber im Rahmen eines anderen gesetzlichen europäischen Regelwerkes erforderlich, z. B. die Prüfung einzelner Bestandteile von Kosmetika bei einer Jahrestonnage von über einer Tonne als Chemikalien gemäß den Standardanforderungen unter REACH (siehe Welche gesetzlichen Regelungen für Tierversuche gelten neben dem Tierschutzgesetz für Chemikalien?), so dürfen die Ergebnisse für die Sicherheitsbewertung des kosmetischen Mittels herangezogen werden. Dies gilt aber nicht, wenn die Tierversuche, zum Beispiel in Drittländern, für eine Vermarktung in nicht-EU Ländern durchgeführt wurden.

Welche gesetzlichen Regelungen für Tierversuche gelten neben dem Tierschutzgesetz für Arzneimittel für den Menschen?

Sogenannte Fertigarzneimittel für den Menschen, die zur Abgabe an Verbraucherinnen und Verbraucher bestimmt sind und im Voraus hergestellt werden, dürfen nur in den Verkehr gebracht werden, wenn sie durch die zuständige Bundesoberbehörde (Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, BfArM) zugelassen sind oder wenn für sie die Europäische Gemeinschaft oder die Europäische Union eine Genehmigung für das Inverkehrbringen erteilt hat. Diese Zulassungspflicht ist im Arzneimittelgesetz (AMG) § 21 Absatz 1 niedergelegt. Bei der Zulassung eines Arzneimittels sind Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit des neuen Arzneimittels zu belegen. Tierversuche, die zu diesen Zwecken durchgeführt werden, werden u. a. durch die Arzneimittelprüfrichtlinien-Verordnung, die Verordnung (EU) 2019/5, Richtlinie 2001/83/EG und das Deutsche und Europäische Arzneibuch geregelt.

Genehmigt das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) auch Tierversuche?

Das BfR genehmigt keine Tierversuche. In Deutschland sind für den Vollzug der tierschutzrechtlichen Regelungen und damit auch für die Genehmigung von Tierversuchen die Behörden der Bundesländer zuständig. Das umfasst:

  • die Prüfung/Bearbeitung von Tierversuchsanträgen,
  • die Genehmigung von Tierversuchsanträgen sowie
  • die Kontrolle der Einhaltung der tierschutzrechtlichen Vorgaben bei der Haltung und Verwendung von Versuchstieren.

Das BfR berät die Genehmigungsbehörden nach § 46 Tierschutz-Versuchstierverordnung zu Alternativmethoden. Hier finden Sie weitere Informationen.

Führt das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) auch Tierversuche durch?

Im Rahmen seines gesetzlichen Auftrags führt das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) Tierversuche durch. Dies betrifft zum einen die Forschung zur Sicherheit von Lebens- und Futtermitteln. Ziel dieser Versuche ist es, gesundheitliche Risiken für Menschen und Nutztiere zu erkennen und einzuschätzen. Zum anderen werden Tierversuche am Deutschen Zentrum zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) am BfR durchgeführt. Hier werden Möglichkeiten untersucht, wie die Belastung von Tieren in Versuchen verringert werden kann (Refinement). Das wissenschaftliche Ziel ist, bessere Haltungs- und Versuchsbedingungen zu etablieren, die weltweit zur Anwendung kommen können. Am BfR werden kontinuierlich verschiedene Forschungsprojekte geplant und durchgeführt, um Alternativen zum Tierversuch zu entwickeln. Das BfR hat ausführliche Fragen und Antworten hier zusammengestellt.

Fragen zu Versuchstierzahlen, deren Erhebung und VeröffentlichungWie viele und welche Versuchstiere werden in Deutschland verwendet?

Die detaillierten Versuchstierstatistiken für die Jahre 2009 bis 2019 wurden jährlich vom BMEL veröffentlicht (Quelle). Seit dem Jahr 2020 werden die jährlichen Zahlen vom BfR veröffentlicht. Die aktuellen Zahlen für das Jahr 2022 sind hier einsehbar.

Warum wurden im Jahr 2022 weniger Versuchstiere verwendet als im Vorjahr?

Die Anzahl der Tierversuche, die in jedem Meldejahr durchgeführt wurden, unterliegt projektspezifischen Fluktuationen, die dazu führen, dass sich von Jahr zu Jahr kleinere Änderungen in der Anzahl der eingesetzten Versuchstiere ergeben. Dabei nimmt die Anzahl der Tierversuche in manchen Bereichen kontinuierlich ab, beispielsweise bei regulatorischen Verwendungen. Andere Bereiche, beispielsweise die Zucht und Erhaltung neuer genetisch veränderter Linien, kommen über die Jahre hinzu. Insgesamt ist im Mittel der letzten Jahre ein genereller Trend zur Verringerung der Anzahl an Tierversuchen zu erkennen. Die sinkenden Zahlen könnten dabei für die vermehrte und erfolgreiche Anwendung geeigneter Alternativmethoden sprechen. Die kommenden Jahre werden zeigen, ob der Trend der sinkenden Versuchstierzahlen andauern wird.

Was ist der Unterschied zwischen „genehmigten“ und „verwendeten“ Versuchstieren?

Grundsätzlich muss zwischen der Anzahl der Tiere, die für Versuche genehmigt wurden, und der Anzahl der Tiere, die tatsächlich in Versuchen verwendet wurden, unterschieden werden:

Jedes Tierversuchsvorhaben muss vor der Durchführung einen behördlichen Genehmigungsprozess durchlaufen. In dem einzureichenden Antrag muss auch die Anzahl der Tiere angegeben werden, die in dem Versuchsvorhaben voraussichtlich verwendet werden soll. Ein Tierversuchsvorhaben ist in der Regel für einen längeren Zeitraum geplant, wird maximal jedoch für fünf Jahre genehmigt. Das heißt, die genehmigte Anzahl an Versuchstieren kann sich über mehrere Jahre verteilen. In einem genehmigten Tierversuchsvorhaben ist jedoch die Gesamtzahl der Tiere angegeben, die für das Projekt für den gesamten Zeitraum geplant sind. Diese Zahl beruht in der Regel auf einer statistischen Schätzung. Allerdings kommt es häufig vor, dass weniger Tiere als ursprünglich geplant verwendet werden, weil sich z. B. in der Zwischenzeit die wissenschaftlichen Erkenntnisse verändert haben und bereits geplante Tierversuche deshalb gar nicht durchgeführt werden. Sollte sich im Verlauf der Forschung aber zeigen, dass mehr Tiere benötigt werden, als ursprünglich genehmigt, muss dafür ein weiterer Antrag bei der Behörde gestellt werden. Auch bei der Zucht von genetisch veränderten Tieren ist die Anzahl der genehmigten Versuchstiere oft deutlich höher als die, die tatsächlich verwendet wurden. Die Zahl der genehmigten Versuchstiere ist daher mitunter deutlich höher als die Zahl der tatsächlich verwendeten Versuchstiere.

Eine Übersicht über die in Deutschland genehmigten Tierversuchsvorhaben finden Sie auf der Webseite www.animaltestinfo.de(siehe auch Frage „Wie viele Tierversuchsvorhaben werden in Deutschland jährlich durchgeführt?“). Die ALURES NTP Datenbank der Europäischen Kommission gibt Auskunft über die innerhalb der EU genehmigten Tierversuchsvorhaben.

Statistiken über die verwendeten Versuchstiere finden Sie für Deutschland auf der Webseite des Bf3R. Die Statistik für die gesamte EU finden Sie hier.

Welche Regelungen gelten für die Erhebung der Versuchstierzahlen?

Am 9. November 2010 ist die EU-Versuchstierrichtlinie 2010/63/EU in Kraft getreten. Deren Umsetzung in nationales Recht im Jahr 2013 hat auch eine Neufassung der Versuchstiermeldeverordnung mit einer Ausweitung der Meldepflicht über die Verwendung von Versuchstieren erforderlich gemacht. So ist seitdem auch die Verwendung von Kopffüßern (beispielsweise Kalmare und Kraken), Larven von Wirbeltieren ab dem Zeitpunkt, an dem sie selbständig Futter aufnehmen können, und die Zucht genetisch veränderter Tiere zu melden. Außerdem ist auch der Schweregrad der Schmerzen, Leiden oder Schäden (gering, mittel, schwer), dem die Tiere durch die Verwendung insgesamt ausgesetzt waren, zu übermitteln. Darüber hinaus werden die Tiere erfasst, an denen Versuche unter tiefer Narkose durchgeführt wurden, aus der sie nicht wiedererweckt wurden (keine Wiederherstellung der Lebensfunktion). Die Verwendung von Tieren in Tierversuchen wurde erstmals im Jahr 2014 entsprechend den neuen Vorgaben erfasst.

Die Details zur Meldung sind im Durchführungsbeschluss zur Richtlinie 2010/63/EU zur Festlegung eines gemeinsamen Berichtsformats geregelt. Im Jahr 2020 ist der aktualisierte Durchführungsbeschluss (EU) 2020/569 in Kraft getreten, der 2021 mit einer Änderung der Versuchstiermeldeverordnung einherging.

Was ist seit dem Jahr 2021 neu bei der Versuchstiermeldung?

Seit dem Jahr 2021 wurden neue Kategorien bei der Versuchstiermeldung eingeführt. Grund hierfür ist der geänderte Durchführungsbeschluss (EU) 2020/569. Zum einen wurde die Kategorie „Hochschulausbildung oder Schulung zum Erwerb, zur Erhaltung oder zur Verbesserung beruflicher Fähigkeiten“ aufgeteilt in „Hochschulausbildung“ und „Schulung zum Erwerb, zur Erhaltung oder zur Verbesserung beruflicher Fähigkeiten“, zum anderen wurden in der Grundlagenforschung die neue Kategorie „Entwicklungsbiologie“ und in der translationalen und angewandten Forschung die neue Kategorie „Tierernährung“ eingeführt. Innerhalb der Kategorie „Routineproduktion“ wird seit dem Berichtsjahr 2021 bei der Produktion von Antikörpern zwischen „monoklonale(n) Antikörper nur im Aszites-Verfahren“ und „monoklonale(n) und polyklonale(n) Antikörper (ausgenommen im Aszites-Verfahren)“ unterschieden. Des Weiteren werden bei den Tierarten die „andere(n) Fische“ weiter in „Wolfsbarsche“, „Lachse, Forellen, Saiblinge und Äschen“ sowie „Guppys, Schwertträger, Spitzmaulkärpflinge, Spiegelkärpflinge“ unterschieden. Hinzugekommen ist auch die Gruppe der „Truthühner“. Bei den „andere(n) Arten von nichtmenschlichen Primaten“ wird nun unterschieden in „andere Arten von Neuweltaffen“ und „andere Arten von Altweltaffen“. Darüber hinaus wird nun bei nichtmenschlichen Primaten unabhängig von der Zuchtgeneration ausgewiesen, wie viele aus selbsterhaltenden Kolonien stammen. Die neuen Kategorien werden bei der Erstellung der Berichte zu den jährlich verwendeten Versuchstieren berücksichtigt.

Seit dem Jahr 2021 werden auch die Zahlen zu Tieren erfasst, die zwar für wissenschaftliche Zwecke gezüchtet, aber nicht für solche Zwecke verwendet und getötet wurden (siehe auch Frage „Was sind nicht verwendete, getötete bzw. „überzählige“ Versuchstiere?“). Das BfR veröffentlicht diese Zahlen nun jährlich zusammen mit den übrigen Zahlen der Versuchstiermeldung. Darüber hinaus werden diese Zahlen einmal alle fünf Jahre an die Europäische Kommission übermittelt. Die letzte Übermittlung erfolgte im Jahr 2023 für das Berichtsjahr 2022.

Wie erhebt das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) die jährlichen Versuchstierzahlen für Deutschland?

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die in Deutschland Tierversuche durchführen, sind verpflichtet, der zuständigen Landesbehörde die Anzahl der verwendeten Versuchstiere sowie weitere Angaben zu den Versuchen (u. a. Art und Herkunft der verwendeten Tiere, Zweck der Tierversuche, Schweregrad der Belastung) entsprechend der Versuchstiermeldeverordnung zu übermitteln. Die zuständigen Behörden senden anschließend alle in einem Bundesland für ein Kalenderjahr gemachten Meldungen in anonymisierter Form an das BfR. Das BfR prüft die aus allen Bundesländern eingegangenen Zahlen auf Plausibilität, wobei eine von der Europäischen Kommission bereitgestellte Software unterstützend verwendet wird. Nach Abschluss dieser Prüfung übermittelt das BfR die Zahlen an die Europäische Kommission.

Werden auch Versuchstierzahlen für den gesamten europäischen Raum erhoben?

Die Europäische Kommission ist nach Artikel 54 der EU-Versuchstierrichtlinie verpflichtet, eine durchsuchbare, frei zugängliche Datenbank zu erstellen und zu unterhalten. Diese Datenbank soll jährlich statistische Daten über die Verwendung von Versuchstieren innerhalb der Europäischen Union enthalten und öffentlich zugänglich machen. Die ALURES-Datenbank ist über diesen Link zugänglich. Dort ist zudem ein Erklärvideo veröffentlicht, das detaillierte Informationen über den Umgang mit der Datenbank bietet.

Was ist bei der Versuchstiermeldung unter erstmalig und erneut verwendeten Tieren zu verstehen?

Bei der Meldung der verwendeten Versuchstiere wird zwischen erstmalig und erneut verwendeten Tieren unterschieden. Eine erstmalige Verwendung bedeutet, dass die Tiere noch nie in einem Versuchsvorhaben verwendet wurden. Die erneute Verwendung beschreibt, dass ein Tier zuvor bereits in einem Versuchsvorhaben verwendet und anschließend in einem weiteren Versuchsvorhaben eingesetzt wurde. Wichtig ist, dass das erste Versuchsvorhaben bereits abgeschlossen wurde und der zweite Tierversuch nicht im Zusammenhang mit der ersten Verwendung des Tieres steht. Voraussetzung für eine erneute Verwendung ist, dass das vorausgegangene Versuchsvorhaben nicht schwerbelastend für das Tier war, der Gesundheitszustand und das Wohlbefinden wieder vollständig hergestellt sind und die erneute Verwendung nicht mit einer schweren Belastung einhergeht. Es muss eine tierärztliche Empfehlung vorliegen, dass eine erneute Verwendung möglich ist.

Wenn ein Tier verwendet wird, bedeutet das automatisch, dass es getötet wird?

Bei der Meldung von Versuchstieren, die im Tierversuch verwendet wurden, wird der Verbleib der Tiere nach Beendigung des Versuches nicht abgefragt. Es besteht in vielen Fällen die Möglichkeit, dass Tiere einen Versuch überleben und im Anschluss weiter gehalten werden, an Privatpersonen vermittelt werden oder für andere wissenschaftliche Zwecke erneut eingesetzt werden. Dies betrifft insbesondere solche Tiere, die in maximal gering belastenden Tierversuchen eingesetzt wurden. Allerdings können auch gering belastende Tierversuche mit einer tierschutzgerechten Tötung der Versuchstiere enden. In der Praxis wird sich der Anteil der Tiere, die nach Abschluss des Tierversuchs weiterleben, je nach gemeldeter Spezies stark unterscheiden.

Was versteht man unter „Schweregrad“ beim Tierversuch?

Im Genehmigungsantrag für ein Versuchsvorhaben sind gemäß Artikel 15 der Richtlinie 2010/63/EU zum Schutz der für wissenschaftliche Zwecke verwendeten Tiere sowie § 31 Abs. 1 Nr. 2 lit. b Tierschutz-Versuchstierverordnung die Tierversuche in einen der vier Schweregrade einzustufen. Bei dem Schweregrad handelt es sich um eine Einstufung der Belastung, der die Tiere im Versuch voraussichtlich ausgesetzt sein werden. Dabei wird unterschieden in „keine Wiederherstellung der Lebensfunktion“ (siehe Frage „ Welche Regelungen gelten für die Erhebung der Versuchstierzahlen?“), „gering“, „mittel“ und „schwer“. Eine Definition sowie Zuordnungskriterien und anschauliche Beispiele für die einzelnen Schweregrade finden sich in Anhang VIII der Richtlinie 2010/63/EU.

Was sind nicht verwendete, getötete bzw. „überzählige“ Versuchstiere?

Die Gruppe der nicht verwendeten, getöteten Versuchstiere besteht größtenteils aus Nachkommen der Zucht von genetisch veränderten Tieren, welche nicht die für den Versuch gewünschten Merkmale aufweisen. Die Kategorie enthält jedoch auch Versuchstiere, die beispielsweise für das Hygienemonitoring von Zuchtkolonien getötet wurden. Außerdem sind solche Tiere enthalten, die aus anderen Gründen nicht wissenschaftlich verwendet werden konnten, beispielsweise weil sie zu alt waren oder nicht das für den Versuch passende Geschlecht aufwiesen. Diese Versuchstiere, die zwar für wissenschaftliche Zwecke gezüchtet, aber nicht für solche Zwecke verwendet wurden, werden in vielen Fällen als nicht verwendet getötet. Umgangssprachlich werden die Tiere werden auch als sogenannte „überzählige“ Versuchstiere bezeichnet.

Das BfR hat diese Zahlen erstmals für das Berichtsjahr 2021 erfasst und auf seiner Homepage veröffentlicht. Einmal alle fünf Jahre werden diese Zahlen auch an die Europäische Kommission übermittelt. Dies erfolgte zuletzt im Jahr 2023 mit Übermittlung der Versuchstierzahlen, die für das Jahr 2022 erhoben wurden.

Ein Wissenschaftlerteam des Deutschen Zentrums zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) hat sich rechtswissenschaftlich mit dem Verbleib der nicht-verwendeten Versuchstiere befasst und im Jahr 2023 in der juristischen Fachzeitschrift Natur und Recht zwei Beiträge zu diesem Thema veröffentlicht (https://link.springer.com/content/pdf/10.1007/s10357-022-4102-9.pdf und https://link.springer.com/article/10.1007/s10357-022-4103-8).

Was versteht man unter „Haltungskapazitäten“?

Jede Einrichtung, die Versuchstiere zum Zweck der Verwendung in Tierversuchen halten will, benötigt gemäß § 11 Tierschutzgesetz hierfür eine behördliche Genehmigung. In dem Antrag auf eine Erlaubnis zur Haltung von Versuchstieren müssen unter anderem die Tierart und die Haltungskapazität, d. h. Anzahl an Tieren, die maximal in der Einrichtung gehalten werden können, pro Tierart angegeben werden. Diese Zahlen, die alle fünf Jahre gemäß den jeweils aktuellen Vorgaben zur Haltung von Versuchstieren neu beantragt werden müssen, beschreiben die maximal zulässigen Tierzahlen je Tierart, die gleichzeitig in geeigneten Räumen und Ställen untergebracht werden dürfen. Die tatsächlich gehaltenen und die in Tierversuchen verwendeten Tierzahlen richten sich nach den Vorhaben und den jeweils für die einzelnen Tierversuche als unerlässlich genehmigten Zahlen. Zu keinem Zeitpunkt dürfen diese höher liegen als die genehmigte Gesamtzahl für die Liegenschaft.

Wie kann sich die Öffentlichkeit über genehmigte Tierversuchsvorhaben informieren?

Ist ein Tierversuchsvorhaben genehmigt, so übermitteln seit Inkrafttreten der im Jahr 2013 erfolgten Überarbeitung des Tierschutzgesetzes die zuständigen Behörden dem BfR die dazugehörige nichttechnische Projektzusammenfassung (NTP). Die NTP ist eine allgemeinverständliche Zusammenfassung zu einem genehmigten Versuchsvorhaben, in der u. a. Zweck und Nutzen der Versuche dargelegt sind, aber auch die Schmerzen, Leiden und Schäden, denen die Tiere ausgesetzt wurden. Die für die Genehmigung von Tierversuchen zuständigen Behörden übermitteln dem BfR innerhalb von drei Monaten nach Erteilung einer Genehmigung die entsprechende NTP des Versuchsvorhabens. Das BfR veröffentlicht die NTPs in der Regel einen Monat nach Übermittlung durch die zuständige Behörde auf der Website (www.animaltestinfo.de). Die Veröffentlichung dient dazu, Informationen über genehmigte Tierversuchsprojekte öffentlich zugänglich zu machen. Das BfR hat ausführliche Fragen und Antworten zur AnimalTestInfo-Datenbank hier zusammengestellt.

Seit dem Jahr 2021 übermittelt das BfR die NTPs zusätzlich an die zentrale Datenbank ALURES der Europäischen Kommission, in der die NTPs aller Europäischen Mitgliedstaaten veröffentlicht werden.

Welche Aufgaben nimmt das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) zum Schutz von Versuchstieren wahr?

Im Jahr 2015 wurde am BfR das Deutsche Zentrum zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) eröffnet. Die im Jahr 1989 gegründete Zentralstelle zur Erfassung und Bewertung von Ersatz- und Ergänzungsmethoden zum Tierversuch (ZEBET) ist Teil des neuen Zentrums. Das Bf3R koordiniert bundesweite Aktivitäten, die dazu dienen, Tierversuche auf das unerlässliche Maß zu beschränken und Versuchstieren den bestmöglichen Schutz zu gewährleisten. Darüber hinaus sollen durch die Arbeit des Zentrums national und international Forschungsaktivitäten angeregt und der wissenschaftliche Dialog gefördert werden. Das Zentrum hat die Aufgaben,

  • die Alternativmethodenforschung zu intensivieren,
  • die Beratung von Behörden und Forschungseinrichtungen zu gewährleisten,
  • Alternativmethoden auf internationaler Ebene zu harmonisieren,
  • die Erforschung von Alternativmethoden zu fördern und zu koordinieren und
  • die Öffentlichkeit zu informieren.

Das BfR hat weitere Fragen und Antworten zum Bf3R hier zusammengestellt.

Was versteht man unter Alternativmethoden?

Alternativmethoden zu Tierversuchen sind alle Verfahren, die Tierversuche ersetzen, die Zahl der Versuchstiere reduzieren oder das Leid der Versuchstiere mindern können. Als allgemein anerkannte wissenschaftliche Grundlage für die Entwicklung von Alternativmethoden gilt das sogenannte „3R-Prinzip“, welches die englischen Wissenschaftler W.M.S. Russell and R.L. Burch im Jahr 1959 publizierten. Danach muss eine Alternativmethode mindestens eine der drei folgenden Anforderungen erfüllen:

  • Replacement: Tierversuche werden durch tierversuchsfreie Verfahren ersetzt
  • Reduction: die Anzahl der Versuchstiere wird reduziert
  • Refinement: Leiden oder Schmerzen der Versuchstiere werden vermindert

Alternativmethoden umfassen beispielsweise in vitro-Verfahren mit isolierten menschlichen oder tierischen Zellen, Computersimulationen und bildgebende Verfahren wie Kernspintomographie oder Ultraschall. Die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union sind bereits seit dem Jahr 1986 durch die EU-Richtlinie 86/609/EWG zum Schutz der Versuchstiere dazu verpflichtet, die Entwicklung und Validierung von Alternativmethoden in ihren Ländern zu fördern.

Welche Voraussetzungen müssen Alternativmethoden erfüllen, um Tierversuche für sicherheitstoxikologische Prüfungen ersetzen zu können?

Alternativmethoden werden für sicherheitstoxikologische Prüfungen chemischer Stoffe regulatorisch nur dann anerkannt, wenn ihre Ergebnisse genauso zuverlässige Ergebnisse liefern wie Tierversuche. Um nachzuweisen, dass eine Alternativmethode einen behördlich vorgeschriebenen Tierversuch ersetzen kann, also gleich gute oder bessere Ergebnisse als der Tierversuch liefert und in allen Laboratorien zu denselben Ergebnissen führt, muss die Methode wissenschaftlich validiert werden. Da die Übertragbarkeit der Ergebnisse aus Tierversuchen auf den Menschen aufgrund von Speziesunterschieden Limitierungen aufweisen können, können Alternativmethoden ergänzende und vergleichende Informationen z. B. zum Mechanismus geben, die eine verbesserte Bewertung der Wirkung von chemischen Stoffen auf den Menschen erlauben. Aus diesem Grund besitzt insbesondere die Entwicklung von Zellmodellen menschlichen Ursprungs ein großes Potential. Da Alternativmethoden aufgrund der reduzierten Komplexität in der Regel nur einzelne biologische Aspekte abbilden, sind häufig Kombinationen aus unterschiedlichen Alternativmethoden nötig, um ein zuverlässiges Versuchsergebnis in Bezug auf die angestrebte Fragestellung zu erzielen. Die Entwicklung von Teststrategien und Bewertungskonzepten, in denen die Daten aus mehreren Alternativmethoden in einer abschließenden Bewertung eines chemischen Stoffs berücksichtigt werden, ist ein Schwerpunkt der internationalen Forschungsaktivitäten.

Wie erfahren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, ob es zu einem Tierversuch eine Alternative gibt?

Für die Prüfung der Unerlässlichkeit eines Tierversuchs ist die Antragstellerin bzw. der Antragsteller eines Tierversuchsvorhabens verpflichtet, alle relevanten Informationsquellen systematisch auszuschöpfen. Um ihnen, aber auch Tierschutzbeauftragten und Genehmigungsbehörden die systematische Recherche zu erleichtern, veröffentlichte das Europäische Zentrum zur Validierung alternativer Methoden (ECVAM) im Jahr 2013 ein englischsprachiges Nachschlagewerk mit dem Titel „ECVAM Search Guide - Good Search Practice on Animal Alternatives”. Es ist hier abrufbar. Der Search Guide informiert über die große Vielfalt der möglichen Informationsquellen, die für eine Recherche über Alternativmethoden zu Tierversuchen herangezogen werden können, und die Regeln, um diese Vielfalt zu erschließen. Das BfR hat bei der Entwicklung des Leitfadens seine Expertise auf dem Gebiet der Informationsrecherche für Alternativmethoden eingebracht und maßgeblich an der Entwicklung mitgearbeitet. Darüber hinaus schult das BfR Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Rahmen von versuchstierkundlichen Kursen in solchen Recherchetechniken und hat eine Suchmaschine entwickelt, die speziell für die Suche nach Alternativmethoden eingesetzt werden kann. „SMAFIRA“ hilft mit künstlicher Intelligenz bei der Suche in wissenschaftlichen Datenbanken und ist hier verfügbar (link zu https://smafira.bf3r.de).

Welche Alternativmethoden konnte das Bf3R bisher etablieren?

Das Bf3R führt die Arbeiten der ZEBET fort, die bereits seit 1989 die Entwicklung, Validierung und Implementierung von Alternativmethoden unterstützte. Verschiedene Methoden sind inzwischen international anerkannt und in der EU sowie bei der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) als offizielle Prüfmethoden (Test Guideline, TG) verankert. Unter anderem konnte ein tierversuchsfreier Test auf phototoxische oder licht-abhängige Hautschädigungen entwickelt werden, der im Jahr 2004 als OECD-Prüfrichtlinie (TG 432) anerkannt wurde. Der Test wird heute weltweit routinemäßig für die Sicherheitsüberprüfung von Arzneimitteln, Chemikalien und kosmetische Inhaltsstoffe verwendet, die dem Sonnenlicht ausgesetzt werden und dadurch ihre Wirkung verändern könnten. Zusätzlich konnte die Prüfung auf hautätzende und -reizende Eigenschaften am Kaninchen durch Alternativmethoden ersetzt werden. Dabei hat das BfR die Validierung von rekonstruierten Modellen der menschlichen Haut zum Teil federführend durchgeführt und koordiniert sowie die regulatorische Akzeptanz vorangetrieben, so dass diese Modelle als OCED-Prüfmethoden zum Nachweis hautirritierender (TG 439, 2010) oder -ätzender Wirkung (TG 431, 2004) publiziert wurden. In der Folge wurde unter Federführung des BfR eine Prüf- und Bewertungsstrategie entwickelt und 2014 als OECD-Leitfaden publiziert, sodass die Hautverträglichkeit von Chemikalien in der EU inzwischen zum Großteil nur noch an menschlichen Hautmodellen getestet wird. Schließlich unterstützt das Bf3R die Anerkennung verschiedener Methoden als OECD-Prüfmethoden durch Einreichung als Projekte in das OECD-Prüfrichtlinienprogramm sowie aktiver Mitarbeit in Expertengruppen. So konnte das Bf3R die Anerkennung der ersten Teststrategien mit definierten Auswerteprozessen, sogenannte „defined approaches“, im Bereich der Hautsensibilisierung als Prüfmethode TG 497 unterstützen und die regulatorische Anerkennung weiterer Methoden zum Nachweis sensibilisierender Aktivitäten sicherstellen.

Wird die Entwicklung von Alternativmethoden international gefördert?

Die ZEBET, nun integraler Bestandteil des Bf3R, war die weltweit erste staatliche Forschungseinrichtung, die die Aufgabe hat, Tierversuche zu ersetzen. Bei ihrer Gründung im Jahr 1989 gab es nur wenige tierversuchsfreie toxikologische Prüfmethoden, die von Behörden weltweit für die Prüfung von chemischen Stoffen oder Produkten akzeptiert wurden. Heute gibt es ähnliche Einrichtungen auch in anderen europäischen Ländern sowie in Japan, Südkorea und den USA. Die Europäische Union fördert die Entwicklung von Alternativmethoden direkt durch die Richtlinie 2010/63/EU zum Schutz der für wissenschaftliche Zwecke verwendeten Tiere sowie die Anwendung von Alternativmethoden durch die Kosmetik- und Chemikaliengesetzgebung. Darüber hinaus koordiniert die EU die Validierung von Alternativmethoden durch das wissenschaftliche Zentrum EURL-ECVAM und wird dabei von den Mitgliedstaaten im Rahmen eines EU weiten Netzwerkes, dem sogenannten PARERE Netzwerk, beraten. Das Bf3R nimmt dabei die Funktion der nationalen Kontaktstelle im PARERE-Netzwerk wahr. Die OECD ist aber die wichtigste internationale Organisation für die Anerkennung von Alternativmethoden zu Tierversuchen im Bereich der toxikologischen Testung von Substanzen. Die rechtlich vereinbarte, gegenseitige Anerkennung von Daten (Mutual Acceptance of Data) ist dabei von besonderer Bedeutung für die internationale Anerkennung und Anwendung von Alternativmethoden.

Wie wird die Entwicklung neuer Alternativmethoden in Deutschland finanziell unterstützt?

Für die Forschungsförderung neuer Alternativmethoden an deutschen Hochschulen und Forschungsinstituten stellt das BMEL dem Bf3R jährlich ein Budget von derzeit rund 400.000 Euro zur Verfügung. Pro Jahr fördert das Bf3R hiermit etwa zehn Forschungsvorhaben mit einer Laufzeit von jeweils ein bis drei Jahren (Informationen zur Bf3R-Forschungsförderung sind hier abrufbar). Seit Beginn des Förderprogramms im Jahr 1990 wurden bisher mehr als 183 3R Projekte unterstützt. Außerdem steht das Bf3R der SET-Stiftung zur Förderung der Erforschung von Ersatz- und Ergänzungsmethoden zur Einschränkung von Tierversuchen finanziell und beratend zur Seite. Daneben fördert das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) seit dem Jahr 1980 die Entwicklung von Alternativmethoden, bislang in mehr als 620 Projekten mit rund 200 Millionen Euro Fördermitteln (Quelle). Auch können Forschungsarbeiten, die dazu beitragen Tierversuche zu ersetzen oder ihre Anzahl zu verringern, ausgezeichnet werden. Der Tierschutzforschungspreis des BMEL ist mit 25.000 Euro dotiert und wird jährlich ausgeschrieben. Neben dem Bund vergeben auch viele Bundesländer Fördermittel und Forschungspreise für 3R-relevante Forschung.



Es befinden sich keine Dokumente auf Ihrem Merkzettel

Es befinden sich keine Dokumente in Ihrem Warenkotb

Cookie-Hinweis

Die BfR-Webseite verwendet nur Cookies, die notwendig sind, um die Webseite nutzerfreundlich zu gestalten. Weitere Informationen enthält unsere Datenschutzerklärung.