Vergiftungen mit Chemikalien - eine erste Bilanz


09/1995, 28.04.1995


Von knapp 9.000 Anfragen zu Vergiftungen mit Chemikalien betreffen rund 25 Prozent Reinigungsmittel. Gefährliche Vergiftungen bei Erwachsenen wurden durch Insektenbekämpfungsmittel (Phosphorsäureester), Gase, die bei Bränden entstehen, Verdünnungsmittel und Anstrichstoffe (z.B. Lacke) verursacht. Für Kinder bergen Lampenöle und Abflußreiniger nach wie vor erhebliche Gesundheitsgefahren, evtl. sogar mit Spätschäden. Das sind Ergebnisse des Modellvorhabens EVA, dessen Ziel es war, verbesserte Erkenntnisse über Gesundheitsrisiken durch Chemikalien zu liefern. 13 Monate lang wurden Anfragen zu Vergiftungen mit Chemikalien von den vier großen Giftinformations- und Behandlungszentren in Berlin, Mainz, Freiburg und München gemeinsam mit dem Fachbereich Chemikalienbewertung des jetzigen Bundesinstituts für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin (BgVV) standardisiert erfaßt und ausgewertet.

Damit liegen nun zum ersten Mal vergleichende und flächendeckende Zahlen über Vergiftungsfälle vor, die eine Abschätzung des Ausmasses akuter gesundheitlicher Schäden durch chemische Stoffe zulassen. Die ermittelten Zahlen liegen deutlich unterhalb der bisher angenommenen Schätzungen. Die meisten Vergiftungen verliefen leicht und blieben folgenlos.

Gesundheitliche Risiken lassen sich aufgrund der ständig wachsenden Zahl chemischer Stoffe im Haushalt, am Arbeitsplatz und in der Umwelt immer schwerer einschätzen. Die Giftinformationszentren der Bundesrepublik Deutschland registrierten 1993 rund 130.000 Anrufe meist zu akuten Vergiftungen. Ein großer Teil der Anfragen betraf Chemikalien.

Helfen bei Vergiftungen heißt nicht nur behandeln und beraten. Helfen heißt auch aufklären, warnen und vermeiden. Hierzu müssen über Tierversuche hinaus auch die tatsächlichen Gefahrenpotentiale bekannt sein. Während z.B. Herz-Kreislauf- und Infektionskrankheiten statistisch recht gut erfaßt sind, gilt dies für Vergiftungsfälle beim Menschen nach wie vor nicht. Gerade weil sie seltener vorkommen, müssen sie ausführlicher dokumentiert und ausgewertet werden.

Nur durch die Einrichtung eines "Monitorsystems" für akute und chronische Vergiftungen können die meist unzureichenden toxikologischen Erfahrungen durch aussagekräftige Daten zum Vergiftungsgeschehen ersetzt, wirkungsvolle Ansätze zur Prävention geliefert und auch der Erfolg von z.B. gesetzgeberischen Maßnahmen überprüft werden. Das Modellvorhaben EVA ist durch die Harmonisierung der EDV-gestützten Erfassung und Auswertung von Vergiftungsanfragen ein notwendiger Schritt in diese Richtung.

Die Ergebnisse des Forschungsvorhabens sind unter dem Titel "Erfassung der Vergiftungsfälle und Auswertungen in den Informations- und Behandlungszentren für Vergiftungen" als Berichtsband erschienen und gegen einen Unkostenbeitrag von DM 15,-- bei der Pressestelle des BgVV erhältlich.


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