OECD-Programm zur Bewertung von Chemikalien mit hohem Produktionsvolumen
Nach bisherigen Schätzungen werden 70.000 bis 100.000 Chemikalien weltweit hergestellt. Davon sind viele von nur geringer Bedeutung, da ihr Produktionsvolumen und ihre Verbreitung außerordentlich gering sind. Vor zwei Jahrzehnten haben die großen Industrienationen, die Mitglieder der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) sind, erkannt, dass gemeinsame Anstrengungen zur Bewertung der Gesundheits- und Umweltrisiken chemischer Stoffe sinnvoll sind. Nur so können zeitnahe, wirtschaftliche und Ressourcen sparende gesundheitliche Bewertungen von einer Vielzahl an Chemikalien erstellt werden.
Wichtiges Ziel war zunächst, die rund 4600 Stoffe, die in Mengen größer als 1000 Tonnen pro Jahr produziert oder importiert werden, zu bewerten. Die Produkte gelten als „High Production Volume“ (HPV) Chemikalien. 1990 wurde das HPV-Chemikalienprogramm der OECD gestartet, um die gesundheits- und umweltgefährlichen Eigenschaften dieser Chemikalien für die menschliche Gesundheit und die Umwelt zusammenzustellen und zu bewerten.
Programm zu Erstellung von Datensätzen zu Chemikalien (Screening International Data Set, SIDS)
Anhand einer regelmäßig aktualisierten Liste der „High Production Volume“ (HPV)-Chemikalien teilten die Mitgliedstaaten der OECD die Arbeit auf und übernahmen die Verantwortung für die Erstellung von Datensätzen zu Chemikalien (Screening International Data Set, SIDS). Zu Wissenslücken über Gefahren wurden neue Prüfungen durch die chemische Industrie durchgeführt, die an allen Arbeiten im SIDS-Programm beteiligt ist. Die Arbeit wird national durch Koordinationsstellen gesteuert. Als ein solcher SIDS Contact Point für Deutschland arbeitet das BfR und ist damit Ansprechpartner anderer Behörden (z.B. des Umweltbundesamtes) und der Industrie.
Die Zusammenstellung der Daten, die Prüfungen und die Bewertungsstrategien erfolgen nach abgestimmten Richtlinien und Qualitätsansprüchen der OECD.
Zu jedem Stoff wird ein Bericht erstellt, der neben den toxikologischen und ökotoxikologischen Eigenschaften auch Angaben zu den physikalisch-chemischen Daten dokumentiert. Darüber hinaus werden Angaben zur Exposition von Mensch und Umwelt zusammengestellt.
OECD-Ausschuss „SIAM“ zur ersten Bewertung der SIDS-Datensätze
Nach Fertigstellung der Datensätze (Screening International Data Set, SIDS) werden die Daten im „SIDS Initial Assessment Meeting“ (SIAM) bewertet und die Dossiers in einem Konsensverfahren verabschiedet. Damit entstehen OECD-Publikationen, die über das Internetpotal eChemPortal einzusehen sind.
In den letzten beiden Jahrzehnten wurden rund 1000 Chemikalien auf diese Weise bewertet.
1998 startete der Weltchemieverband (International Council of Chemical Associations, ICCA) im Rahmen der OECD eine Initiative mit dem Ziel, 1000 Chemikalien zu bewerten, die eine breite Anwendung haben und in mehreren Regionen der Welt produziert werden. Bisher liegen rund 800 Bewertungen vor. Deutschland hat in diesem Programm neben Japan und den USA eine führende Rolle inne und seine Zusagen bereits 2010 erfüllt.
Gruppenbetrachtung von Chemikalien
Aus methodischer Sicht nehmen die wissenschaftlichen Entwicklungen der Gruppenbetrachtungen von Chemikalien und die Anwendungen der quantitativen Struktur-Wirkungs-beziehungen (QSAR) mit der frei zugänglichen OECD QSAR Toolbox im Internet eine herausragende Rolle ein. Beide Methoden reduzieren nicht nur die Kosten, sondern leisten auch einen aktiven Beitrag zur Verminderung von Tierversuchen. So konnten bereits Gruppen in Struktur und Wirkung ähnlicher Chemikalien zusammenhängend bewertet werden; solch eine Chemikalienbewertung spart nicht nur viele Tierversuche, sondern beschleunigt auch die Erstellung von Risikobewertungen zu tausenden von Chemikalien (PDF-Datei, 35,31 KB) ohne eine ausreichende Bewertung der Gesundheitsgefahren zu vernachlässigen.