Fragen und Antworten zu Genome Editing und CRISPR/Cas9

Aktualisierte Fragen und Antworten des BfR vom 27. Oktober 2022

Genome Editing ist ein Sammelbegriff für neue Methoden, die es erlauben, zielgerichtete Eingriffe im Erbmaterial (Genom) einer Zelle durchzuführen. Insbesondere die Anwendungsmöglichkeiten von CRISPR/Cas9 werden bereits in einer Vielzahl von Publikationen beschrieben. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) begleitet diese Entwicklung wissenschaftlich im Interesse des gesundheitlichen Verbraucherschutzes. Im Folgenden hat das BfR die wichtigsten Fragen zum Thema Genome Editing und insbesondere zu der Methode CRISPR/Cas9 beantwortet.

Die Bundesregierung hat sich im November 2016 zum Thema „Einstufung von und Umgang mit neuen Gentechnikverfahren“ geäußert.

http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/103/1810301.pdf

Eine wissenschaftliche Expertengruppe der Europäischen Kommission hat im April 2017 eine Einschätzung zu neuen Techniken in der landwirtschaftlichen Biotechnologie veröffentlicht.

http://ec.europa.eu/research/sam/pdf/topics/explanatory_note_new_techniques_agricultural_biotechnology.pdf

Die rechtliche Einschätzung, ob Genome Editing zur Gentechnik gehört, hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) in einem Urteil im Juli 2018 vorgenommen:

http://curia.europa.eu/juris/liste.jsf?language=de&td=ALL&num=C-528/16

Die Möglichkeiten des Nachweises von mit Hilfe neuer Mutageneseverfahren hergestellter Lebens- und Futtermittel wurden durch das Europäische Netzwerk von GVO-Laboratorien (ENGL) analysiert.

http://gmo-crl.jrc.ec.europa.eu/doc/JRC116289-GE-report-ENGL.pdf

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Was ist Genome Editing?

„Genome Editing“ bedeutet auf Deutsch „Bearbeitung der Erbinformation“. Unter diesem Begriff sind verschiedene neue molekularbiologische Methoden zusammengefasst, mit deren Hilfe sich genetische Informationen gezielt verändern lassen.

Mit den Verfahren des Genome Editing können gezielte Veränderungen im Genom des Zielorganismus eingeführt werden. Dafür sind zwei Komponenten nötig: Ein Protein (Nuklease), das die DNA des Zielorganismus schneidet, und ein „Lotse“, der diese Nuklease an die gewünschte Stelle der DNA leitet. Dabei wird der „Lotse“ (je nach Technik ein Stück DNA, eine RNA oder ein Protein) passgenau so hergestellt, dass er die gewünschte Stelle im Genom des Zielorganismus „erkennt“. Die Nuklease kann entweder von außen in die Zelle eingebracht werden (diese Techniken heißen CRISPR/Cas9, TALEN, Zinkfinger-Nuklease) oder natürlicherweise in der Zelle vorhanden sein (OGM).

Es kann eine Punktmutation (Austausch eines einzelnen DNA-Bausteins, den sogenannten Nukleotiden) oder eine Deletion (Wegfall eines einzelnen oder mehrerer Nukleotide) entstehen. Es können aber auch ein oder mehrere Nukleotide hinzugefügt werden (Insertion). Möglich ist auch, ein größeres Stück synthetische bzw. artfremde DNA in die Zelle einzuschleusen, welches dann bei der DNA-Reparatur ins Genom eingebaut wird.

Worin bestehen Unterschiede und Gemeinsamkeiten vom Genome Editing und herkömmlichen Verfahren der Pflanzenzüchtung?

Bei der herkömmlichen Pflanzenzüchtung (nicht gentechnische Verfahren) werden neben der natürlichen Kreuzung von Pflanzen auch spontane oder chemische bzw. durch Bestrahlung ausgelöste Veränderungen im Pflanzengenom genutzt, die an verschiedenen zufälligen Stellen im Genom zu Veränderungen führen. Daher müssen in einem anschließenden Selektionsprozess aus einer Vielzahl diejenigen behandelten Zellen bzw. Pflanzenklone identifiziert und selektiert werden, die die gewünschte(n) Veränderung(en) enthalten. Diese Techniken wurden bereits über 3000 Mal zur Herstellung neuer Pflanzenvarietäten erfolgreich genutzt. So wurden z. B. bestimmte Gerstensorten mit Hilfe von Gammastrahlen erzeugt.

Beim Genome Editing dagegen können Gene zielgenau verändert werden. Wie sich die Veränderung an dieser definierten Stelle gestaltet, hängt davon ab, wie die Werkzeuge beim Genome Editing eingesetzt werden (s.o.). In einigen Fällen lässt sich anhand des Ergebnisses (DNA-Sequenz) nicht unterscheiden, ob eine Mutation auf natürlichem Wege oder durch eine neue Technik entstanden ist. Mit Hilfe des Genome Editing können aber auch genetische Varianten erzeugt werden, welche nicht auf natürlichem Wege entstehen (einschleusen artfremder DNA).

Bedeuten Veränderungen an der Erbinformation automatisch ein gesundheitliches Risiko?

Das Erbgut aller Lebewesen ist nicht unveränderlich. Bei jeder Zellteilung muss die DNA kopiert werden (Replikation), damit auch alle Tochterzellen über die vollständige Erbinformation verfügen. Dabei treten immer wieder kleine Fehler auf. Es können einzelne Nukleotide verändert werden, sowie kurze oder längere Abschnitte verloren gehen. Beim Menschen schätzt man die Zahl der nichtkorrigierten Replikationsfehler auf 1 je 109 bis 1011 replizierten („kopierten“) Nukleotiden. Nur in den wenigsten Fällen führen diese zu sichtbaren Veränderungen des Organismus (Phänotyp). Daher bedeutet eine Veränderung in der DNA-Sequenzabfolge nicht automatisch ein gesundheitliches Risiko. Allerdings wird im Rahmen der Risikobewertung geprüft, ob die mit Hilfe des Genome Editing vorgenommene Veränderung eine Gensequenz so verändert, dass sich dadurch neue Eigenschaften des Organismus ergeben.

Zur Abschätzung möglicher gesundheitlicher Risiken (Risikobewertung) existieren in der EU etablierte Verfahren und Leitlinien, die gemäß den gültigen gesetzlichen Bestimmungen eine Prüfung auf der Grundlage der verfügbaren wissenschaftlichen Informationen und Daten erlauben.

Wofür steht die Abkürzung CRISPR/Cas9?

CRISPR ist die englische Abkürzung von Clustered Regularly Interspaced Short Palindromic Repeats. Dies sind sich wiederholende DNA-Sequenzen, die im Erbgut vieler Bakterien auftreten und im Abwehrsystem der Bakterien eine wichtige Rolle spielen. Dringt ein Virus in ein Bakterium ein, baut die Bakterienzelle Teile der Virus-DNA in ihre eigene CRISPR-Struktur ein. Gelangt nun erneut ein Virus mit dieser DNA in das Bakterium, wird es mit Hilfe der CRISPR-Abschnitte erkannt. Cas9 ist die Abkürzung von CRISPR-associated protein 9. Das Cas9-Enzym dockt an einem erkannten DNA-Abschnitt an und zerschneidet virale DNA (Nukleasefunktion). Das Virus wird dadurch inaktiviert.

Wie funktioniert CRISPR/Cas9?

CRISPR und Cas9 wurden ursprünglich als Teil eines Systems entdeckt, das Bakterien gegen das Eindringen von fremdem Erbgut durch Viren oder Plasmide (extrachromosomale DNA) schützt. CRISPR/Cas9 wird seit wenigen Jahren für ein spezielles Verfahren zum Genome Editing verwendet und weiterentwickelt:

Dem Enzym Cas9 wird eine sogenannte „Lotsen“-RNA angehängt („Lotsen“-Funktion) - sie übernimmt die Rolle der viralen DNA, d. h. die Erkennung. Findet Cas9 das dazu passende Stück genomischer DNA, schneidet es den Erbgutstrang. Dieser DNA-Bruch kann anschließend auf unterschiedliche Weise durch zelleigene Prozesse wieder repariert werden, wobei Mutationen entstehen können (s.o.).

Welche Anwendungsgebiete gibt es für Genome Editing?

Genome Editing ist vergleichsweise einfach im Labor durchzuführen sowie schneller und vor allem zielgenauer als bisherige Methoden (einschließlich klassischer gentechnischer Verfahren). Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler hoffen deshalb, dass mit Hilfe des Genome Editing in der Pflanzen- und Tierzucht ertragreichere oder krankheitsresistente Sorten und Rassen entstehen, wie z. B. mehltauresistenter Weizen oder kühl lagerbare Kartoffeln. Im Bereich der Medizin wird geforscht, welche Impulse Genome Editing  für die Entwicklung von neuen Therapieverfahren für verschiedene Krankheiten geben kann.

Wie kann man Genome Editing nachweisen?

Ein Organismus, in den mit Hilfe bestimmter Varianten des Genome Editing oder mit Hilfe klassischer Gentechnik größere Elemente fremder DNA eingeschleust wurden, lässt sich in der Regel gut als genetisch veränderter Organismus (GVO) im Sinne der GVO-Richtlinie nachweisen. Zahlreiche Nachweisverfahren für verschiedene GVO wurden bereits entwickelt und stehen den Lebens- und Futtermitteluntersuchungsämtern für die Überwachung zur Verfügung. Die Gefahr, hier etwas Unbekanntes zu übersehen, besteht dennoch.

Wichtig: Der Nachweis einer veränderten DNA ist nicht zwingend gleichzeitig der Nachweis eines bestimmten Verfahrens, sofern dasselbe Ergebnis auch auf verschiedenen Wegen (natürlich, klassische Mutageneseverfahren; siehe Frage „Worin bestehen Unterschiede und Gemeinsamkeiten vom Genome Editing und herkömmlichen Verfahren der Pflanzenzüchtung?“) hätte erreicht werden können.

Zurzeit unmöglich ist der Nachweis, dass es sich bei z.B. einer Punktmutation (siehe Frage „Was ist Genome Editing?“) um das Resultat von Genome Editing handelt, da solche Veränderungen auch auf anderem Wege (natürliche Mutation, klassische Mutageneseverfahren) entstanden sein könnten.

Wie können mögliche gesundheitliche Risiken für Verbraucherinnen und Verbraucher durch Genome Editing im Bereich Lebens- und Futtermittelsicherheit bewertet werden?

In der EU gilt der Grundsatz, dass Lebens- und Futtermittel, die nicht sicher sind, nicht in Verkehr gebracht werden dürfen.

Aus Sicht der Expertengruppe der EU-Kommission ist eine Einzelfallprüfung erforderlich, um das Risiko von Organismen, die durch neue Techniken (Genome Editing) erzeugt wurden, zu bewerten.

Grundsätzlich können die etablierten Verfahren zur gesundheitlichen Risikobewertung von Lebens- und Futtermitteln aus genetisch veränderten Pflanzen auch auf die Risikobewertung von Pflanzen, die mit Hilfe von Genome Editing generiert wurden, angewendet werden.

Ausgangspunkt für die Risikobewertung von GVOs ist der Vergleich mit einem geeigneten Vergleichsorganismus (im Fall einer genetisch veränderten Maislinie die unveränderte Mais-Ausgangslinie) hinsichtlich der molekularen Strukturen, den wichtigen Inhaltsstoffen, toxikologischen und ernährungsphysiologischen Eigenschaften sowie der Umweltverträglichkeit. Die dabei identifizierten Unterschiede werden in jedem Einzelfall unter Verwendung von international festgesetzten Leitfäden auf mögliche Risiken geprüft und bewertet. Dieses Prinzip der „Wesentlichen Gleichwertigkeit“ kann auch auf mit Hilfe von Genome Editing erzeugten Organismen angewendet werden.

Zählt Genome Editing zur Gentechnik?

Das BfR als wissenschaftliche Institution trifft keine Entscheidung, wie Genome Editing juristisch einzustufen ist. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat am 25.7.2018 entschieden: Mittels Genome Editing erzeugte Organismen sind genetisch veränderte Organismen (GVO) im Sinne der GVO-Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Europäischen Rates und unterliegen somit der Gentechnikregulierung.

Aus dem EuGH-Urteil folgt ebenfalls, dass entsprechend hergestellte Produkte der Kennzeichnungspflicht für GVO unterliegen und so für die Verbraucherinnen und Verbraucher kenntlich gemacht werden müssen.

Woran arbeitet das BfR im Bereich vom Genome Editing?

Im Mittelpunkt der Arbeit des Instituts steht der gesundheitliche Schutz des Menschen. Durch seine unabhängige wissenschaftliche Bewertung, Forschung und die transparente Kommunikation gesundheitlicher Risiken, trägt das BfR unparteilich zur Sicherheit von Lebens- und Futtermitteln, Produkten und Chemikalien bei. Vor diesem Hintergrund befasst sich das BfR unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten auch mit Genome Editing und befindet sich dabei im regelmäßigen Austausch mit nationalen, europäischen und anderen internationalen Institutionen.

Das BfR als wissenschaftliche Institution trifft keine Entscheidung, wie Genome Editing juristisch einzustufen ist. Dem gesetzlichen Auftrag entsprechend bewertet das BfR zusammen mit weiteren Behörden nicht die Verfahren des Genome Editing an sich, sondern die damit veränderten Lebens- und Futtermittel und Produkte. Die Risikobewertung erfolgt dabei aufgrund des bei der Erzeugung eingesetzten Verfahrens. Antragsteller müssen zudem Informationen zu den genetischen Veränderungen übermitteln, die durch das eingesetzte Verfahren eingebracht wurden.

Mit dem Symposium „Neue Technologien zur Modifikation des Genoms“ am 6. Dezember 2016 informierte das BfR über den aktuellen Stand des Wissens und bot eine Plattform zur Diskussion der vielfältigen Aspekte. Mit dieser Auftaktveranstaltung folgt das BfR seinem gesetzlichen Auftrag, mögliche, identifizierte und bewertete Risiken ausgewogen und wissenschaftlich fundiert zu kommunizieren.

Im Herbst 2019 veranstaltete das BfR eine Verbraucherkonferenz zu Genome Editing. Durch diese Konferenz wurde ein differenziertes Meinungsbild von informierten Verbraucherinnen und Verbrauchern zur Anwendung von Genome Editing in Form eines Verbrauchervotums erstellt. Dieses Votum (https://www.bfr.bund.de/cm/343/verbrauchervotum-genome-editing.pdf) wurde bei der Abschlusskonferenz an Repräsentantinnen und Repräsentanten aus den Bereichen Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Zivilgesellschaft übergeben.

Im März 2023 wird das BfR gemeinsam mit dem Julius-Kühn-Institut (JKI), und dem Bundes-amt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) und der Gemeinschaftlichen Forschungsstelle der Europäischen Kommission (EC-JRC) eine Konferenz mit dem Titel „International Conference on GMO Analysis and New Genomic Techniques“ veranstalten   (https://www.bfr-akademie.de/gmo2023/). Neben den grundsätzlichen Themen des GVO-Nachweises soll ein besonderer Fokus auf das Genome Editing und dessen Nachweisbarkeit gelegt werden. Die Ergebnisse der Konferenz können in die Betrachtungen der Europäischen Kommission zur Neuregulierung des Genome Editing einfließen.

Welche Rolle spielt die BfR-Kommission für Genetisch veränderte Lebens- und Futtermittel?

Die Kommission für Genetisch veränderte Lebens- und Futtermittel berät als ehrenamtliches und unabhängiges Sachverständigengremium das BfR in Fragen der Lebens- und Futtermittelsicherheit der aus gentechnisch veränderten Organismen hergestellten Produkte. Als Instrument der externen Qualitätssicherung erhöht die Kommission die wissenschaftliche Qualität der Stellungsnahmen des BfR und kann dem Institut im Krisenfall als Expertinnen- und Expertennetzwerk beratend zur Seite stehen. Die Kommission besteht aus elf Mitgliedern, die für einen Turnus von vier Jahren über ein offenes Ausschreibungs- und Bewerbungsverfahren berufen wurden und sich durch wissenschaftliche Expertise auf ihrem jeweiligen Fachgebiet auszeichnen. Die Kommissionsmitglieder sind zur Verschwiegenheit gegenüber Dritten und zur unparteilichen Erfüllung ihrer Aufgabe verpflichtet. Eventuelle Interessenkonflikte zu einzelnen, in der Sitzung behandelten Tagesordnungspunkten (TOPs) werden transparent abgefragt und offengelegt. Aus den vorliegenden Ergebnisprotokollen geht die wissenschaftliche Meinung der BfR-Kommission hervor. Die Empfehlungen der Kommission haben allein beratenden Charakter. Die Kommission selbst gibt keine Anordnungen und keine Gutachten heraus und ist dem BfR gegenüber auch nicht weisungsbefugt (und umgekehrt) oder in dessen Risikobewertungen involviert. Weitere Informationen zur BfR-Kommission sind hier zu finden.

Über das BfR

Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) ist eine wissenschaftlich unabhängige Einrichtung im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL). Es berät die Bundesregierung und die Bundesländer zu Fragen der Lebensmittel-, Chemikalien- und Produktsicherheit. Das BfR betreibt eigene Forschung zu Themen, die in engem Zusammenhang mit seinen Bewertungsaufgaben stehen.

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