Kleinkindermilchgetränke sind nicht besser als Kuhmilch
29/2011, 16.08.2011
BfR bewertet Nährstoffe im Vergleich
„Auf die Ernährungsbedürfnisse von Kleinkindern abgestimmt“ – solche und ähnliche Aussagen finden sich häufig auf den Verpackungen von Milchgetränken für Kleinkinder, die als Kindermilch oder Kleinkindermilch bezeichnet werden. Die Aussagen beziehen sich auf die Gehalte von Proteinen, Fett, Vitaminen und Mineralstoffen. So beuge ein – im Vergleich zu Kuhmilch – reduzierter Proteingehalt späterem Übergewicht vor, angereicherte Vitamine und Mineralstoffe trügen zur optimalen geistigen Entwicklung bei. Nach Einschätzung des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) bieten Kleinkindermilchgetränke jedoch keinen Vorteil gegenüber fettreduzierter Kuhmilch, wie sie Ernährungsmediziner für Kleinkinder empfehlen. „Aus ernährungsphysiologischer Sicht sind diese besonderen Kleinkindermilchgetränke nicht notwendig“, sagt BfR-Präsident Professor Dr. Dr. Andreas Hensel. Vielmehr tragen angereicherte Vitamine und Mineralstoffe in Kleinkindermilch zu einer unkontrollierten Erhöhung der Zufuhr einiger Nährstoffe bei, während andere Vitamine und Mineralstoffe in geringeren Mengen enthalten sind als in Kuhmilch. Ferner ist zurzeit wissenschaftlich nicht hinreichend nachgewiesen, dass eine verringerte Proteinzufuhr im Kleinkindalter das Risiko für Übergewicht und Adipositas im späteren Kindesalter reduziert. Der Fettgehalt der Kleinkindermilchprodukte ist in etwa vergleichbar mit dem von Vollmilch und damit höher als der von fettreduzierter Milch.
Milchprodukte, die als Kleinkindermilch oder Kindermilch bezeichnet werden, sind nicht an die Ernährungsbedürfnisse von Kindern im Alter von ein bis drei Jahren angepasst. Sie erfüllen damit nicht die Anforderungen der Verordnung über diätetische Lebensmittel (Diätverordnung). Für Kleinkinder wird im Rahmen einer abwechslungsreichen Ernährung der Verzehr von fettreduzierter Kuhmilch empfohlen.
Die Gehalte an Vitaminen und Mineralstoffen in Kleinkindermilchgetränken unterscheiden sich teilweise deutlich von denen in Kuhmilch. Aus ernährungsphysiologischer Sicht sollten die für Kuhmilch charakteristischen Mikronährstoffe wie Calcium und Vitamin B2 in Kleinkindermilch grundsätzlich in vergleichbaren Mengen enthalten sein, um eine verringerte Zufuhr dieser Nährstoffe zu vermeiden. Hingegen liefern Kleinkindermilchprodukte andere Mikronährstoffe wie Eisen und Zink in höheren Mengen als Kuhmilch, was aus Sicht des BfR zu einer unkontrollierten Zufuhr dieser Nährstoffe führt und das Risiko einer Nährstoffüberversorgung birgt.
In einer ausgewogenen Kinderernährung sind Kleinkindermilchgetränke überflüssig. Auch wenn manche Gruppen von Kleinkindern mit einigen Mikronährstoffen nicht optimal versorgt sind, kann dies nicht durch den Ersatz von Kuhmilch durch Kleinkindermilch ausgeglichen werden, weil fraglich ist, ob die Produkte tatsächlich von denjenigen verzehrt werden, die von einer zusätzlichen Nährstoffzufuhr profitieren würden.
Ob der reduzierte Proteingehalt von Kleinkindermilch anstelle von Kuhmilch dazu führt, dass Kleinkinder insgesamt weniger Protein pro Tag zu sich nehmen, ist zu bezweifeln. Ohnehin ist zurzeit wissenschaftlich nicht hinreichend nachgewiesen, dass eine verringerte Proteinzufuhr im Kleinkindalter das Risiko für Übergewicht und Adipositas im späteren Kindesalter reduziert.
Der Fettgehalt der Kleinkindermilchprodukte ist in etwa vergleichbar mit dem von Vollmilch. Ernährungsmediziner empfehlen für die Ernährung von Kleinkindern jedoch fettreduzierte Milch.
Hersteller von Kleinkindermilchgetränken geben auf den Verpackungen ihrer Produkte häufig hohe Verzehrsmengen an. Diesen Verzehrsempfehlungen folgend würden Kinder allein durch die Kindermilch hohe Mengen an Makro- und Mikronährstoffen aufnehmen, was im Rahmen der Gesamternährung langfristig eine Überversorgung mit sämtlichen Nährstoffen begünstigt. Dies ist aus ernährungsphysiologischer und gesundheitlicher Sicht problematisch.
Über das BfR
Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) ist eine wissenschaftliche Einrichtung im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV). Es berät die Bundesregierung und die Bundesländer zu Fragen der Lebensmittel-, Chemikalien und Produktsicherheit. Das BfR betreibt eigene Forschung zu Themen, die in engem Zusammenhang mit seinen Bewertungsaufgaben stehen.