Raucharomen in Lebensmitteln
Aktualisierte FAQ zu Raucharomen und ihren gesundheitlichen Risiken
Änderungen gegenüber der Version vom 5. April 2017: Nach einer Neubewertung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit wurden die FAQ ergänzt und grundlegend überarbeitet.
Raucharomen werden als geschmackliche Alternative zum traditionellen Räuchern eingesetzt und werden auch in Lebensmitteln verwendet, die nicht traditionell geräuchert werden. Anders als Rauch dienen sie nicht dazu, Lebensmittel haltbar zu machen, sondern sollen ihnen einen bestimmten Geschmack verleihen. Da Raucharomen komplexe Gemische vieler chemischer Substanzen sind, gelten hier besondere Regelungen, die sich von denen für chemisch definierte Aromastoffe unterscheiden.
Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hat die wichtigsten Fragen und Antworten zu Raucharomen zusammengefasst.
Was sind Raucharomen?
Raucharomen werden aus Rauch hergestellt, wie er auch beim herkömmlichen Räuchern von Lebensmitteln eingesetzt wird. Dazu werden bestimmte Hölzer unter kontrollierten Bedingungen (Temperatur, Luftzufuhr etc.) verglimmt. Der Rauch wird in Wasser oder andere (z. B. ethanolhaltige) Flüssigkeiten eingeleitet, fraktioniert und gereinigt. Dabei entstehen die sogenannten Primärprodukte („Primärrauchkondensate“ und/oder „Primärteerfraktionen“), aus denen unter Verwendung von Trägerstoffen Raucharomen hergestellt werden.
Geschmacksgebende Bestandteile von Raucharomen sind vor allem Phenole und Carbonylverbindungen (Aldehyde und Ketone). Die Aromen werden in die Lebensmittel direkt eingearbeitet oder z. B. im Tauch- oder Sprühverfahren auf die Oberfläche aufgebracht.
Wie ist die Verwendung von Raucharomen gesetzlich geregelt?
Raucharomen können Fisch- und Fleischerzeugnissen, aber auch einigen Lebensmitteln, die traditionell nicht geräuchert werden (z. B. Suppen, Soßen und Snacks), in bestimmten Höchstmengen zugesetzt werden.
In der Europäischen Union (EU) ist die Verwendung von Raucharomen durch mehrere Verordnungen gesetzlich geregelt. Das Ziel dieser Verordnungen ist der Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher. Die Verordnung (EG) Nr. 2065/2003 regelt vor allem die Sicherheitsbewertungen von Raucharomen und das Zulassungsverfahren für Primärprodukte. Lebensmittel mit Raucharomen dürfen nur dann in Verkehr gebracht werden, wenn zur Herstellung der Raucharomen keine anderen als die zugelassenen Primärprodukte verwendet wurden. Weitere Verordnungen legen unter anderem Qualitätskriterien für die Analyse von Primärprodukten (Verordnung (EG) Nr. 627/2006) und Verwendungsbedingungen für zugelassene Primärprodukte fest (Verordnung (EU) Nr. 1321/2013).
Wie werden in der EU aktuell Raucharomen gesundheitlich bewertet?
Primärprodukte, aus denen Raucharomen hergestellt werden, sind komplexe Substanzgemische. Sie enthalten unter anderem auch polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAKs), wie z.B. Benzo[a]pyren, von denen genotoxische (erbgutschädigende) und kanzerogene (krebserzeugende) Wirkungen bekannt sind.
2021 veröffentlichte die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) einen neuen Leitfaden zur Beantragung einer Zulassung für Primärprodukte zur Herstellung von Raucharomen. Laut diesem sind unter anderem Informationen über die chemische Zusammensetzung der Primärprodukte erforderlich. Zu jeder identifizierten Substanz sind verfügbare Daten zur Genotoxizität zu recherchieren. Wenn keine Genotoxizitätsdaten verfügbar sind, wird das genotoxische Potenzial mit Hilfe von „in silico“-Methoden vorhergesagt, also mit Hilfe von Computer-Simulationen ((Quantitative) Struktur-Aktivitäts-Beziehungen ((Q)SAR), Read-Across). Wenn solche Vorhersagen auf eine potenzielle Genotoxizität hindeuten, sind zur weiteren Klärung experimentelle Studien erforderlich.
Wichtig ist: Wenn sich eine einzelne Substanz in einem Primärprodukt in vivo als genotoxisch zeigt oder dies bereits aus der wissenschaftlichen Literatur bekannt ist, gelten auch für die Mischung insgesamt Bedenken hinsichtlich der Genotoxizität.
Was ist über die gesundheitlichen Risiken von Raucharomen bekannt?
Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hat erstmals zwischen den Jahren 2007 und 2012 im Rahmen eines Zulassungsverfahrens das gesundheitliche Risiko von Primärprodukten für Raucharomen bewertet. Bei keinem der bewerteten Primärprodukte wurden die Höchstgehalte für Benzo[a]pyren und Benz[a]anthracen von 10 bzw. 20 Mikrogramm (μg) pro Kilogramm (kg) Primärprodukt überschritten. Diese Stoffe gehören zu den polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAKs), von denen mehrere (z. B. Benzo[a]pyren) das Erbgut schädigen und Krebs auslösen können. Die gemessenen Gehalte an zwölf weiteren PAKs lagen in den meisten Fällen unter – oder nur knapp oberhalb der jeweiligen Nachweisgrenzen. Die zehn derzeit zugelassenen Primärprodukte erwiesen sich in bakteriellen Genmutationstests und/oder in Tests an Säugerzellkulturen als genotoxisch. Das hatte sich in Tierstudien nicht bestätigt. Deshalb gab es damals keine Bedenken hinsichtlich des genotoxischen Potenzials der Primärprodukte.
Die EFSA kam damals aber zu dem Schluss, dass die Aufnahmemengen bei den meisten Primärprodukten unter den in den Antragsunterlagen vorgesehenen Verwendungsbedingungen zu hoch sind. Sie sollten demzufolge in geringeren Mengen bzw. in weniger Lebensmittelgruppen eingesetzt werden als von den Antragstellern vorgesehen.
Zehn Primärprodukte erhielten nachfolgend eine Zulassung für zehn Jahre (bis zum 1. Januar 2024), welche sich aus formalen Gründen um vorerst sechs Monate verlängert hat. Der Entwurf zur Durchführungsverordnung Nr. 1321/2013 zu Raucharomen wurde am 21.10.2013 von den EU-Mitgliedstaaten mit qualifizierter Mehrheit angenommen. Bei Einsatz der seit Inkrafttreten der Durchführungsverordnung am 1. Januar 2014 zugelassenen zehn Primärprodukte in den jeweils zulässigen Höchstmengen war die Sicherheitsspanne zwischen der Menge an Primärprodukten, die mit Lebensmitteln aufgenommen wird, und der höchsten Dosis, bei der in der Tierstudie zur subchronischen Toxizität noch keine unerwünschten Wirkungen auftraten, bei sieben der zehn zugelassenen Primärprodukte geringer als von der EFSA und dem BfR empfohlen. Somit fiel bei diesen Primärprodukten das Schutzniveau geringer aus als empfohlen. Deutschland hatte deshalb den Verordnungsentwurf unter Berücksichtigung einer Stellungnahme des BfR damals nicht unterstützt.
Im Jahr 2023 wurden acht der zugelassenen Primärprodukte von der EFSA neu bewertet, nachdem ihre Hersteller bei der Europäischen Kommission Anträge auf Verlängerung der im Jahr 2013 erteilten Zulassung gestellt hatten. Für eine Verlängerung der Zulassung um weitere zehn Jahre waren gemäß Verordnung (EG) Nr. 2065/2003 neue Anträge und neue Risikobewertungen durch die EFSA erforderlich. Hierfür wurden von den Antragstellern neue Daten vorgelegt.
Auf der Basis der verfügbaren Daten kam die EFSA nun zu dem Schluss, dass keines der bewerteten acht Primärprodukte für die Herstellung von Raucharomen als gesundheitlich unbedenklich angesehen werden kann.
Zur Begründung führt die EFSA aus, dass zu sechs der acht bewerteten Primärprodukte gesundheitliche Bedenken hinsichtlich ihres erbgutschädigenden (genotoxischen) Potenzials bestehen, weil sie Furan-2(5H)-on enthalten. Die Verbindung hat sich in vivo als genotoxisch erwiesen. Außerdem enthalten vier dieser Primärprodukte 1,2-Dihydroxybenzol (synonym: Catechol, Brenzcatechin), das ebenfalls in vivo genotoxisch ist. Für die beiden anderen Raucharomen-Primärprodukte bestehen Hinweise auf ein genotoxisches Potenzial, die noch experimentell zu klären sind. Zudem wurde bei einem dieser beiden Primärprodukte Furan-2(5H)-on mit der verwendeten (unzureichenden) Analytik zwar nicht identifiziert, die Abwesenheit dieser Substanz wurde aber nicht überzeugend dargelegt.
Sind Lebensmittel mit Raucharomen potenziell gesundheitsschädlicher als Lebensmittel, die traditionell geräuchert wurden?
Die genotoxischen Substanzen, die in Raucharomen identifiziert wurden, sind auch bei traditionellem Räuchern zu erwarten. Zumindest die Gehalte an polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK) sind in Lebensmitteln, die Raucharomen enthalten, in der Regel aber geringer als in Lebensmitteln, die traditionell geräuchert wurden.
Warum fiel das Ergebnis der gesundheitlichen Bewertung 2023 anders aus als bei der ersten Bewertung rund zehn Jahre zuvor?
Inzwischen gibt es Empfehlungen der EFSA zur Bewertung der Genotoxizität. So wird jetzt eine bestimmte in vivo-Methode, die damals noch üblich war (in vivo UDS-Test), nicht mehr als ausreichend aussagekräftig angesehen. Stattdessen werden jetzt andere Methoden (z.B. der in vivo-Comet-Assay) eingesetzt, die sensitiver als der UDS-Test sind und zu denen damals noch keine international abgestimmten Empfehlungen zur Durchführung solcher Tests (OECD-Test-Guidelines) existierten. Außerdem gibt es inzwischen Empfehlungen der EFSA zur Bewertung der Genotoxizität von Mischungen und einen neuen Leitfaden der EFSA zur Bewertung von Raucharomen, wonach zunächst die Zusammensetzung der Primärprodukte mit chemisch-analytischen Methoden möglichst weitgehend zu untersuchen ist. Die identifizierten Substanzen sind dann hinsichtlich ihres genotoxischen Potenzials zu bewerten. Wenn eine Substanz dieser Mischung als in vivo genotoxisch bekannt ist, gelten auch für die Mischung Bedenken hinsichtlich der Genotoxizität.
Auf der Basis neuer Erkenntnisse zur chemischen Zusammensetzung der Primärprodukte und nach Anwendung dieser EFSA-Leitfäden fiel das Ergebnis der Bewertung nun anders aus als vor gut zehn Jahren.
Was bedeutet das aktuelle Bewertungsergebnis aus dem Jahr 2023?
Substanzen, die DNA-reaktiv sind und in vivo (also im lebendigen Organismus) das Erbgut schädigen, können potenziell zu Krebs und vererbbaren Erkrankungen führen. Die EFSA hat betont, dass für solche Substanzen keine gesundheitlich unbedenklichen Gehalte definiert werden können. Prinzipiell ist das gesundheitliche Risiko bei Exposition gegenüber solchen Substanzen erhöht. Wie hoch es genau ist bzw. wie hoch die Eintrittswahrscheinlichkeit solcher Erkrankungen ist, lässt sich allerdings nur schwer ermitteln. Das gilt insbesondere für komplexe Mischungen mit einem relevanten Anteil an nicht identifizierten Bestandteilen, wie es die Primärprodukte für die Herstellung von Raucharomen darstellen.
Was folgt auf die Neubewertung durch die EFSA?
Die EFSA ist in der Europäischen Union für die Risikobewertung und Kommunikation zuständig. Sie darf nicht entscheiden, ob die Zulassung für die bewerteten Raucharomen verlängert wird oder nicht. Es ist vielmehr ihre Aufgabe, den für das Risikomanagement zuständigen Stellen ihre wissenschaftliche Einschätzung zu den Stoffen mitzuteilen und damit die Grundlage für Risikomanagemententscheidungen zu schaffen. Es liegt nun in der Verantwortung des Risikomanagements (Vertreter der Europäischen Kommission und der Mitgliedstaaten) unter Berücksichtigung der aktuellen EFSA-Gutachten zu entscheiden, ob und ggf. unter welchen Bedingungen die Zulassungen für die acht Primärprodukte zur Herstellung von Raucharomen verlängert werden können.
Wie wird ermittelt, wieviel Primärprodukte für Raucharomen Verbraucherinnen und Verbraucher durchschnittlich über Lebensmittel aufnehmen?
Die Exposition gegenüber Primärprodukten für Raucharomen, d.h. die Menge an Primärprodukten, die Verbraucherinnen und Verbraucher über Lebensmittel aufnehmen, wird auf Grundlage von Daten zu Verzehrmengen von Lebensmitteln und von Daten zu den (vorgesehenen bzw. zulässigen) Gehalten von Primärprodukten in diesen Lebensmitteln geschätzt. Dabei wird zwischen traditionell geräucherten Lebensmitteln, wie Fisch- und Fleischerzeugnissen, und Lebensmitteln, die nicht traditionell geräuchert werden, wie Suppen, Soßen oder Snacks, unterschieden.
Was können Verbraucherinnen und Verbraucher tun?
Da Raucharomen in der Lebensmittelzutatenliste deklariert sein müssen, sind sie als Zutaten zu identifizieren. Verbraucherinnen und Verbraucher haben somit die Möglichkeit, ihr Ver-zehrverhalten den individuellen Sicherheitsbedürfnissen entsprechend auszurichten.
Die EFSA hat anlässlich der Neubewertung im Jahr 2023 FAQ zu Raucharomen veröffentlicht.
Weitere Informationen gibt es sowohl bei der EFSA als auch auf der Website der Europäischen Kommission.