Fragen und Antworten zu Phthalat-Weichmachern
Aktualisierte FAQ vom 7. Juni 2024
Phthalate sind chemische Verbindungen, die vor allem als Weichmacher in Kunststoffen wie PVC eingesetzt werden. In den jeweiligen Kunststoffen sind die Phthalate jedoch nicht fest gebunden, sondern können daraus freigesetzt werden. Weil Phthalate in der Vergangenheit in großen Mengen produziert und eingesetzt wurden, kann man sie nahezu überall in der Umwelt und als Verunreinigung (Kontamination) in vielen Lebensmitteln nachweisen. In Studien lassen sich Phthalate und deren Abbauprodukte außerdem regelmäßig in Urinproben feststellen.
Je nach ihrer chemischen Struktur können Phthalate unterschiedliche gesundheitsschädliche Wirkungen haben. So können einige beispielsweise das Hormonsystem, andere die Funktion der Leber beeinflussen. Allerdings treten diese Effekte erst bei bestimmten Konzentrationen auf. Da Verbraucherinnen und Verbraucher in Deutschland und Westeuropa insgesamt nur sehr geringe Mengen an Phthalaten aufnehmen, sind gesundheitliche Beeinträchtigungen bei ihnen nicht zu erwarten. In der Vergangenheit wurde jedoch bei Kindern teilweise eine erhöhte Konzentration von Phthalaten festgestellt.
Menschen nehmen Phthalate hauptsächlich über die Nahrung auf, Kleinkinder verstärkt auch über Hausstaub und Gegenstände, die sie in den Mund stecken.
Für die verschiedenen Phthalate gibt es je nach Anwendungsbereich unterschiedliche Grenzwerte, um die Gesundheit der Verbraucherinnen und Verbraucher zu schützen. In manchen Produkten wie Spielzeug oder Lebensmittelverpackungen ist der Einsatz bestimmter Phthalate seit Jahren verboten oder sehr stark eingeschränkt. Entsprechend sind für diese Phthalate in den vergangenen Jahren sowohl die Produktion in Europa als auch die Aufnahme der Phthalate durch die Bevölkerung rückläufig.
Was sind Phthalate und wozu werden sie benutzt?
Phthalate sind eine Familie chemischer Verbindungen, die in der Vergangenheit in großem Maßstab vor allem als Weichmacher für harte und brüchige Kunststoffe verwendet wurden. Die Zugabe von 30 bis 40 % Weichmacher zum Kunststoff verleiht beispielsweise dem eigentlich harten und spröden PVC (Polyvinylchlorid) elastische Eigenschaften und macht es flexibel (Weich-PVC). Phthalate wurden oder werden deshalb z. B. in Kabeln, Folien, Fußbodenbelägen, Schläuchen, Sport- und Freizeitartikeln, Medizinprodukten und Deckeldichtungen von Schraubgläsern für Lebensmittel eingesetzt. Daneben finden Phthalate auch Verwendung in Bekleidung, Klebstoffen, Dichtungsmitteln, Farben, Gummimaterialien, Verpackungen sowie als Beschichtungen, Lösungsmittel oder Hydraulikflüssigkeiten. Inzwischen ist die Verwendung von Phthalaten allerdings in vielen Produkten untersagt oder ihr Einsatz streng reglementiert.
In Kunststoffen und anderen Materialien und Produkten sind Phthalate nicht fest gebunden und können aus diesen freigesetzt werden. Über diesen Weg können sie in die Umwelt oder auch in Lebensmittel gelangen. Weil Phthalate in der Vergangenheit in großen Mengen produziert und eingesetzt wurden, lassen sie sich heute nahezu überall in der Umwelt unter Einsatz hochempfindlicher Messverfahren nachweisen.
Chemisch gesehen versteht man unter der Stoffgruppe „Phthalate“ Verbindungen der Phthalsäure, die mit verschiedenen Alkoholen verestert sind (Phthalsäureester). In diesen FAQ wird der Begriff „Phthalat“ stellvertretend und ausschließlich für ortho-Phthalate verwendet und nicht für iso- oder Terephthalate, die aufgrund ihrer anderen chemischen Struktur deutlich geringere Bedenken hinsichtlich gesundheitlicher Auswirkungen aufgeworfen haben.
Besteht ein gesundheitliches Risiko für Verbraucherinnen und Verbraucher durch die Phthalat-Aufnahme?
Die gegenwärtige Phthalat-Aufnahme stellt für erwachsene Verbraucherinnen und Verbraucher nach heutigem Wissen kein bedeutsames gesundheitliches Risiko dar. Zwar wurden in Tierstudien bei verschiedenen Phthalaten gesundheitsschädliche Eigenschaften nachgewiesen. Diese Effekte traten jedoch erst auf, wenn die Tiere über einen längeren Zeitraum vergleichsweise hohen Phthalat-Konzentrationen ausgesetzt waren. Die Mengen, die Verbraucherinnen und Verbraucher mit der Nahrung zu sich nehmen, sind jedoch so niedrig, dass negative Auswirkungen auf die Gesundheit nach derzeitigem Kenntnisstand nicht zu erwarten sind.
Die europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA hat im Jahr 2019 unter Mitwirkung des BfR die gesundheitlichen Wirkungen von fünf Phthalaten neu bewertet, die in Lebensmittelkontaktmaterialien aus Kunststoff verwendet werden können (DBP, BBP, DEHP, DINP, DIDP). Vier dieser Phthalate (DBP, BBP, DEHP und DINP) wurden bei der Bewertung als Gruppe betrachtet, weil sie vergleichbare fortpflanzungsgefährdende Effekte zeigen. Dabei wurde für diese Phthalat-Gruppe ein gemeinsamer Wert für die tolerierbare tägliche Aufnahmemenge (TDI) festgelegt. Der TDI beschreibt die Menge, die täglich ein Leben lang aufgenommen werden kann, ohne dass eine gesundheitsschädliche Wirkung eintritt. Für alle vier Phthalate zusammen beträgt der TDI demnach 0,05 mg pro Kilogramm Körpergewicht – umgerechnet also 3 Milligramm pro Person und Tag, bei einem angenommenen Körpergewicht von 60 kg. Berechnet wird der gemeinsame TDI dabei in Form von sogenannten DEHP-Äquivalenten, das heißt für die einzelnen Stoffe werden dabei je nach ihrer Wirkstärke im Vergleich zu DEHP Umrechnungsfaktoren verwendet.
Dieser neue TDI wurde mit der tatsächlichen Aufnahme der betrachteten Phthalate durch die Bevölkerung verglichen. Die Aufnahmemenge war schon im Jahr 2019 deutlich geringer. Entsprechend kam die EFSA zu der Schlussfolgerung, dass die derzeitige Aufnahme von DBP, BBP, DEHP, DINP und DIDP über Lebensmittel keine gesundheitliche Beeinträchtigung erwarten lässt.
Diese Ergebnisse decken sich mit Gehaltsdaten aus der BfR-MEAL-Studie. Bei den Untersuchungen in den Jahren 2019 und 2020 wurden unter anderem auch die Konzentrationen von 28 Phthalaten in zubereiteten Lebensmitteln ermittelt. Die gemessenen Werte waren dabei ebenfalls sehr niedrig.
In Untersuchungen im Rahmen des europäischen Humanbiomonitoring-Projekts HBM4EU wurde die Gesamtaufnahme von Phthalaten betrachtet – über Lebensmittel, Atemluft und Haut. Dabei wurden europaweit die Mengen an Phthalaten ermittelt, die täglich vom Menschen aufgenommen werden. Für DEHP, DINP, BBP und DBP betrug die geschätzte tägliche Aufnahme 0,1 bis 1 µg/kg Körpergewicht. Sie liegt damit 500- bis 50-fach unter dem TDI von 50 µg/kg Körpergewicht.
Innerhalb der Bevölkerung sind Kinder einer stärkeren Belastung mit Phthalaten ausgesetzt als Jugendliche und Erwachsene. Kinder nehmen Weichmacher nicht nur über die Nahrung auf, sondern deutlich stärker als Erwachsene auch über das In-den-Mund-Nehmen von Gegenständen. Diese Gegenstände können selbst Phthalate enthalten oder mit Staub bedeckt sein, der mit Phthalaten kontaminiert ist. Bei Untersuchungen in Deutschland im Rahmen der Deutschen Umweltstudie zur Gesundheit (GerES IV, ehem. Kinder-Umwelt-Survey, KUS) des Umweltbundesamtes im Zeitraum von 2003 bis 2006 fanden sich in nahezu allen Urinproben Abbauprodukte von Phthalaten. Bei 1,5 % der Kinder waren die Konzentrationen damals so hoch, dass eine gesundheitliche Beeinträchtigung nicht mehr mit hinreichender Sicherheit auszuschließen war. In der folgenden Studie (GerES V) von 2014 bis 2017 war die Konzentration von DEHP im Urin von 3 bis 13 Jahre alten Kindern vierfach niedriger. In wenigen Fällen kam es zu Überschreitungen der HBM-Richtwerte (HBM-GV, siehe unten). Dies war unter anderem der Fall bei DBP in 1,18 % der Fälle (12/2256 Kinder) und bei DEHP in 0,05 % der Fälle (1/2256 Kinder). Trotz des generellen Rückgangs der Belastung lag die aus den gemessenen Werten abgeschätzte kombinierte Aufnahme der Phthalate DBP, BBP, DEHP und DINP in GerES V für die Mehrheit der 3 - 10-Jährigen immer noch höher als die tolerierbare tägliche Aufnahmemenge von 0,05 mg pro Kilogramm Körpergewicht. Neuere Untersuchungen, die zwischen 2016 und 2022 im europaweiten HBM4EU-Projekt erfolgten, zeigen, dass die Phthalat-Konzentrationen bei Kindern und Heranwachsenden auch in Europa in den letzten Jahrzehnten zurückgegangen sind.
Welche gesundheitliche Wirkung haben Phthalate auf den Körper?
Gesundheitliche Wirkungen von Phthalaten wurden bisher vor allem in Tierstudien nachgewiesen. Demnach haben Phthalate je nach ihrer molekularen Struktur unterschiedliche Wirkungen auf die Gesundheit.
Einige der weltweit besonders häufig verwendeten Phthalate sind reproduktionstoxisch. In hohen Konzentrationen haben sie fortpflanzungsschädliche Eigenschaften und können außerdem Organismen schädigen, die sich noch in der Entwicklung befinden. So hat sich in Studien an Ratten und Mäusen gezeigt, dass vor allem die Fortpflanzungsfähigkeit der männlichen Tiere durch die Wirkung bestimmter Phthalate (z. B. DEHP) vermindert werden kann. Die Schädigung tritt bereits auf, während sich die Fortpflanzungsorgane im noch ungeborenen Tier entwickeln.
Darüber hinaus können einige Phthalate das Hormonsystem beeinträchtigen und werden deshalb auch als endokrine Disruptoren bezeichnet. Beispielsweise wurde beobachtet, dass diese Phthalate den Beginn der Pubertät bei Tieren stören können. Durch DPHP wurden in Tierstudien Schilddrüse und Hirnanhangsdrüse (Hypophyse) geschädigt. Diese steuern wichtige Körperfunktionen. In Tierstudien wurden auch Einflüsse auf das weibliche Hormonsystem untersucht, die jedoch noch weiter aufgeklärt werden müssen.
Bei den Phthalaten DINP und DIDP wurden vor allem schädliche Wirkungen auf die Leber beobachtet. Hier hatte sich bei Tieren die Leber vergrößert und es wurden Anzeichen von Zellschäden nachgewiesen.
Es ist anzunehmen, dass die in den Tierstudien beobachten gesundheitlichen Wirkungen in ähnlicher Form auch beim Menschen auftreten können. Allerdings ist es schwierig, diese direkt nachzuweisen. Dafür sind aufwändige epidemiologische Studien nötig, bei denen größere Gruppen von Menschen über lange Zeiträume beobachtet werden. In einigen solcher epidemiologischen Studien konnte ein Zusammenhang zwischen der Phthalat-Aufnahme in der Bevölkerung und der männlichen Fortpflanzungsfähigkeit gezeigt werden. In anderen Studien konnte dieser nicht nachgewiesen werden. Über die Kausalität zwischen Phthalat-Aufnahme und untersuchten gesundheitlichen Effekten lassen solche epidemiologischen Studien allerdings keine Schlussfolgerungen zu.
Welche Phthalate wurden oder werden häufig in Kunststoffen verwendet?
Bei der EU-Chemikalienagentur ECHA wurden mit Inkrafttreten der REACH-Verordnung im Jahr 2007 ca. 700 Phthalate gemeldet, von denen aber nur wenige im größeren Maßstab produziert, eingesetzt oder in der Vergangenheit verwendet wurden. So wurden im Jahr 2021 32 Phthalate in Mengen oberhalb von einer Tonne pro Jahr in Europa produziert oder nach Europa importiert.
Die Namen der verschiedenen Phthalate werden oft abgekürzt. Die folgenden Stoffe gehören zu den am häufigsten genannten:
- BBP: Benzylbutylphthalat
- DAP: Di-allylphthalat
- DBP (auch: DNBP, DnBuP): Dibutylphthalat
- DEHP: Di(2-ethylhexyl)phthalat, Bis(2-ethylhexyl)phthalat
- DIBP (auch DiBuP): Di-isobutylphthalat
- DIDP: Di-isodecylphthalat, Bis(8-methylnonyl)-phthalat
- DINP: Di-isononylphthalat, Bis(7-methyloctyl)-phthalat
- DNOP: Di-n-octylphthalat
- DPP (auch DnPP): Di-n-pentylphthalat
- DPHP: Di(2-propylheptyl)phthalat, Bis(2-propylheptyl)-phthalat
- DCHP: Dicyclohexylphthalat
DEHP, DBP, DIBP und BBP waren lange Zeit die am häufigsten verwendeten Phthalate. Wegen ihrer im Tierexperiment nachgewiesenen fortpflanzungsgefährdenden Eigenschaften wurde ihr Einsatz beschränkt und die Industrie ersetzte sie in den vergangenen 20 Jahren teilweise durch andere Phthalate. Verwendet wurden hierfür beispielsweise DINP und DIDP, die chemisch strukturell etwas anders aufgebaut sind. Sie gelten als toxikologisch weniger bedenklich.
Inzwischen wird der Einsatz von Phthalaten insgesamt stärker reguliert, ihr Einsatz eingeschränkt oder teilweise auch verboten. Deshalb wurden in den vergangenen Jahren zunehmend neue Weichmacher entwickelt und eingesetzt, die nicht zur Gruppe der Phthalate gehören.
Laut Informationen des Europäischen Weichmacherverbandes „European Plasticisers“ lag der jährliche Verbrauch von Weichmachern in Europa im Jahr 2020 bei mehr als 1,3 Millionen Tonnen. Trotz der in Europa bestehenden Verbote macht allein DEHP weltweit 40 % des jährlichen Gesamtverbrauchs an Weichmachern aus, weil es immer noch in großem Maßstab in China, Indien und anderen asiatischen Ländern, im mittleren Osten, in Afrika und Lateinamerika verwendet und produziert wird. Aus diesen Regionen importierte Produkte enthalten trotz Einfuhrbeschränkungen teilweise DEHP in hohen Konzentrationen, wie die Meldungen im EU-Schnellwarnsystem für Verbraucherprodukte RAPEX (Safety Gate) zeigen. Werden vom Zoll oder den Landesüberwachungsämtern Produkte gefunden, die die zulässigen Grenzwerte überschreiten, werden sie vom Markt genommen.
Da die Verwendung vieler Phthalate in Europa gesetzlich eingeschränkt wurde, ist vor allem die Nutzung von DEHP in Westeuropa stark rückläufig. Inzwischen werden auch deutlich weniger Abbauprodukte von DEHP in der Umwelt und in Urinproben der Bevölkerung nachgewiesen.Was ist Human-Biomonitoring (HBM) und was ist ein HBM-Wert?
Beim Human-Biomonitoring (HBM) werden menschliche Proben auf das Vorkommen bestimmter Stoffe untersucht. Konkret sind das vor allem Urinproben, aber auch Blut, Speichel, Muttermilch, Haare oder Gewebeproben. Nachgewiesen werden dabei in vielen Fällen nicht die eigentlichen, potenziell gesundheitsschädlichen Ausgangssubstanzen, sondern deren Abbauprodukte (Metaboliten), die vom körpereigenen Stoffwechsel gebildet werden. Dieser Nachweis ermöglicht einen Rückschluss auf die Exposition der untersuchten Personen über alle Aufnahmepfade. In Deutschland werden solche Proben beispielsweise in der Umweltprobenbank gesammelt und für Zeittrendanalysen verwendet. Zu HBM-Projekten in Deutschland zählen die verschiedenen Phasen der Deutschen Umweltstudie zur Gesundheit von Kindern und Erwachsenen (GerES), auf europäischer Ebene beispielsweise das HBM4EU- und das PARC-Projekt. Ziel ist es, die Exposition der Bevölkerung mit körperfremden Substanzen oder Schadstoffen zu überwachen und ggf. Minderungsmaßnahmen zu empfehlen.
Als Richtschnur für die Beurteilung der gemessenen Konzentrationen der einzelnen Stoffe werden in Deutschland so genannte HBM-Werte abgeleitet. Während sich gesetzlich verankerte Grenzwerte meist auf äußere Konzentrationen beziehen, beschreiben HBM-Werte Konzentrationen in der jeweils betrachteten Proben-Art - beispielsweise die Konzentrationen im Urin. Mit der Festlegung entsprechender Werte beschäftigt sich in Deutschland die am Umweltbundesamt angesiedelte „Kommission Human-Biomonitoring“, in der auch das BfR als Gast vertreten ist. Sie legt sogenannte HBM-I und HBM-II Werte fest.
Der HBM-I-Wert stellt dabei die Konzentration eines Stoffes z. B. in Urin oder in Blut dar, bei deren Unterschreitung nach aktuellem Stand des Wissens nicht mit einer gesundheitlichen Beeinträchtigung zu rechnen ist. Der HBM-II-Wert gibt die Konzentration an, ab der eine für die Betroffenen als relevant anzusehende gesundheitliche Beeinträchtigung grundsätzlich möglich erscheint.
Eine Überschreitung des HBM-II-Wertes bedeutet jedoch nicht, dass eine gesundheitliche Beeinträchtigung zwangsläufig auftritt. Sie gibt allerdings Anlass, der Ursache für die Erhöhung nachzugehen und diese, wenn möglich, zu mindern oder abzustellen.
Für eine Beurteilung der in menschlichen Proben vorliegenden Konzentrationen wurden auch im Rahmen des HBM4EU-Projekts für einige ausgewählte Substanzen sogenannte HBM-Guidance Values (HBM-GVs) abgeleitet, die analog zu den HBM-I-Werten zu interpretieren sind.
HBM-Werte sind nicht gesetzlich verankert und haben nicht denselben Status wie die durch EU-Gremien abgeleiteten und in beschriebenen Verfahren konsentierten Grenzwerte wie z. B. akzeptable oder duldbare tägliche Aufnahmemengen der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) oder durch den Ausschuss für Risikobeurteilung (RAC) bei der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) abgeleitete Referenz-DNELs (Derived No-Effect Levels). Sie dienen als Orientierungswerte für die toxikologische Einordnung von HBM-Messergebnissen.
Welche Erkenntnisse gibt es zu den Funden des Stoffs Mono-n-hexylphthalat (MnHexP) in Urinproben?
Das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (LANUV) hat bei Nachuntersuchungen von älteren Urinproben den Stoff Mono-n-hexylphthalat (MnHexP) nachgewiesen (LANUV, 2024). Der Stoff wurde auch in Urinproben von Erwachsenen im Rahmen des aktuell laufenden sechsten Teils der durch das Umweltbundesamt (UBA) durchgeführten Deutschen Umweltstudie zur Gesundheit (GerES VI) nachgewiesen. MnHexP kann als Stoffwechselabbauprodukt (Metabolit) aus verschiedenen Phthalaten, beispielsweise DNHP, Decylhexylphthalat oder auch aus bestimmten anderen, gemischtkettigen Phthalaten entstehen oder direkt in Form von MnHexP aufgenommen werden.
Die in Frage kommenden Ausgangsstoffe gelten – basierend auf Tierstudien – als fortpflanzungsgefährdend. Das Auftreten eines Metaboliten im Urin zeigt zwar eine Belastung an, nicht jedoch, ob ein unmittelbares Gesundheitsrisiko besteht. Wegen der fortpflanzungsschädlichen Eigenschaften sowohl von MnHexP als auch seiner möglichen Ausgangsstoffe sollte die Aufnahme dieser Substanzen jedoch so weit wie möglich reduziert werden.
Die in Urinproben nachgewiesenen Konzentrationen des Stoffes Mono-n-hexylphthalat (MnHexP) geben nach einer ersten Bewertung des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) allerdings keinen Anlass für eine erhöhte Besorgnis. Das BfR hat am 21. März 2024 eine vorläufige tolerierbare tägliche Aufnahmemenge (TDI) für den möglichen Ausgangsstoff DnHexP abgeleitet. Der TDI gibt die Menge eines Stoffes an, die täglich über die gesamte Lebenszeit ohne erkennbares Gesundheitsrisiko oral aufgenommen werden kann. Das Ergebnis zeigt, dass bei den betroffenen Personen der vorläufige TDI nur zu einem sehr geringen Teil ausgeschöpft wird. Unerwünschte gesundheitliche Wirkungen sind in diesen Fällen demnach sehr unwahrscheinlich. Die nachgewiesenen Konzentrationen bewegen sich in einem Bereich, der auch bei anderen Phthalaten im Rahmen von Reihenuntersuchungen nachgewiesen wurde.
Im Rahmen der BfR-MEAL-Studie wurden 226 Lebensmittel auf DnHexP untersucht. Alle Analyseergebnisse lagen unterhalb der jeweiligen Nachweisgrenze.
Inzwischen wurden unter anderem in Sonnenschutzmitteln und weiteren Verbraucherprodukten Spuren von Di-n-hexylphthalat (DnHexP) nachgewiesen, das im Körper zu MnHexP abgebaut werden kann. DnHexP selbst ist als Inhaltsstoff in kosmetischen Mitteln verboten, er kann aber als Verunreinigung von Ausgangsstoffen in solche Produkte eingetragen werden. Nach Einschätzung des BfR sind gesundheitliche Beeinträchtigungen durch die Verwendung derart verunreinigter Mittel jedoch unwahrscheinlich. Für die meisten der in Frage kommenden Ausgangssubstanzen gelten europaweit strenge Einsatzbeschränkungen, da sie u. a. im Rahmen der EU-Chemikalienverordnung REACH als besonders besorgniserregend eingestuft wurden. Darüber hinaus sind weitere regulatorische Aktivitäten seitens der ECHA geplant.
Die Kommission Human-Biomonitoring (HBM-Kommission) am Umweltbundesamt (UBA) hat bei ihrer Sitzung am 22. März 2024 einen Beurteilungswert (HBM-I-Wert) für MnHexP im Urin abgeleitet. Der HBM-I-Wert entspricht der Konzentration eines Stoffes in einem Körpermedium, bei dessen Unterschreitung nach dem aktuellen Stand der Bewertung durch die Kommission nicht mit einer gesundheitlichen Beeinträchtigung zu rechnen ist. Von den bisher ausgewerteten 1.000 Proben liegen alle unter dem neuen Beurteilungswert.
Wieso sind Lebensmittel und Hausstaub mit Phthalaten belastet?
Phthalate können in Kunststoffen und Folien vorhanden sein, beispielsweise in Weich-PVC. Chemisch sind die Phthalate dabei nicht fest an das Weich-PVC gebunden. Sie können beispielsweise im Kontakt mit Lebensmitteln in diese übergehen. Das passiert vor allem dann, wenn fetthaltige oder ölreiche Lebensmittel in Materialien aus phthalathaltigem Weich-PVC verpackt oder darin gelagert werden. Phthalate können auch während der Verarbeitung in die Lebensmittel gelangen, z. B. wenn Öl oder andere fetthaltige Lebensmittel wie Milch durch phthalathaltige PVC-Schläuche geleitet werden. In den Hausstaub gelangen Phthalate vor allem durch mechanische Belastung, z. B. durch Abrieb aus Bodenbelägen oder Freisetzung aus anderen im Haushalt befindlichen Gegenständen, die Phthalate enthalten. Unter anderem durch die Verwendung von phthalathaltigen Produkten im Außenbereich oder durch Abfälle gelangen Phthalate auch in die Umwelt und können dort nachgewiesen werden.
Können Phthalate aus Kunststoffverpackungen wie Frischhaltefolie in Lebensmittel übergehen?
Grundsätzlich können Phthalate aus Kunststoffen wie z. B. Verpackungen oder Schläuchen in Lebensmittel übergehen und dann mit der Nahrung aufgenommen werden. Deshalb gelten bei solchen Lebensmittelkontaktmaterialien strenge Regeln für die Nutzung von Phthalaten. So dürfen DBP, BBP, DEHP, DINP und DIDP nicht in Einmalverpackungen eingesetzt und nicht für die Verpackung von fetthaltigen Lebensmitteln verwendet werden. Wenn die Verwendung dieser Phthalate aus technischen Gründen für die Herstellung eines Kunststoffes notwendig ist, darf die zulässige Konzentration nur 0,05 - 0,1 % betragen. In dieser Konzentration können die Phthalate ihre Wirkung als Weichmacher nicht entfalten. Benötigt werden Phthalat-Konzentrationen von 30 - 40 %, damit der Kunststoff weich wird.
Für Materialien, die in Kontakt mit Lebensmitteln kommen, wurde der gesetzliche Grenzwert für die Phthalate DBP, DIBP, BBP und DEHP im Jahr 2023 neu festgelegt. Von diesen Stoffen dürfen jetzt insgesamt maximal 0,6 mg pro kg Lebensmittel aus dem Kunststoff in das jeweilige Lebensmittel übergehen – gerechnet in DEHP-Äquivalenten. Diese Mengen sind so gering, dass selbst bei täglicher Aufnahme keine gesundheitliche Beeinträchtigung zu erwarten ist.
Ansonsten gilt: Nicht alle weichen Kunststoffe enthalten Weichmacher. Frischhaltefolien aus Polyethylen z. B. sind auf Grund des verwendeten Kunststoffs und der Herstellungsart besonders flexibel und müssen deshalb keine Weichmacher enthalten.
Wie können sich Verbraucherinnen und Verbraucher vor einer hohen Phthalat-Aufnahme schützen?
Grundsätzlich können alle Grundnahrungsmittel wie Fette, Brot, Obst, Gemüse und Milch oder Milchprodukte Spuren von Weichmachern als Verunreinigung enthalten. Für Verbraucherinnen und Verbraucher gibt es keine Möglichkeit zu erkennen, ob ein bestimmtes Lebensmittel Phthalate enthält und wie hoch die Konzentration ist. Dies kann nur mittels einer Untersuchung im Labor feststellt werden. Bei verschiedenen Untersuchungen hat sich allerdings gezeigt, dass Lebensmittel, wenn überhaupt, nur sehr geringe Mengen an Phthalaten enthalten.
Um bei kleinen Kindern die Aufnahme von Phthalaten über den Hausstaub zu verringern, sollten Böden und Teppiche regelmäßig gereinigt werden. Wichtig ist auch darauf zu achten, dass Kleinkinder nur Gegenstände in den Mund nehmen, die dafür hergestellt und gedacht sind. Obwohl DEHP und andere Phthalate in Spielzeug inzwischen verboten sind, werden diese Weichmacher gelegentlich in importierten Produkten nachgewiesen. Dies zeigen Meldungen des europäischen Schnellwarnsystems RAPEX (Safety Gate).
Wie erfahre ich, ob bestimmte Produkte gesundheitsbeeinträchtigende Phthalate enthalten?
Vergleichsweise einfach geht das mit der kostenlosen Smartphone-App „Scan4Chem“ vom Umweltbundesamt. Mit der App lassen sich Produkte nach Namen suchen oder über den Barcode, der auf der Verpackung vieler Produkte abgedruckt ist. „Scan4Chem“ greift dabei auf die Produktdatenbank des europäischen Projekts AskREACH zu, in der bereits über 35.000 Produkte verzeichnet sind. Ist ein Produkt nicht verzeichnet, kann über die App eine Anfrage an den Hersteller verschickt werden. Zusätzlich haben Verbraucherinnen und Verbraucher durch die EU-Chemikalienverordnung REACH das Recht, bei Herstellern, Importeuren oder Händlern Auskunft zu bekommen, ob in einem Produkt besonders besorgniserregende Stoffe (SVHC - Substances of very high concern) wie beispielsweise fortpflanzungsschädigende Phthalate enthalten sind. Eine Antwort muss innerhalb von 45 Tagen erfolgen. Dies gilt unabhängig von einem möglichen Kauf des Produkts. Alternativ lassen sich über die Webseite „Web Scan4Chem“ ebenfalls Produkte in der AskREACH-Datenbank nachschlagen oder Mustervorlagen für Anfragen an den jeweiligen Hersteller erstellen.
Wichtig ist allerdings, dass die Auflistung eines gefährlichen Stoffes in der App nicht zwangsläufig bedeutet, dass der Stoff auch vom Menschen aufgenommen wird und gesundheitsbeeinträchtigend wirkt. Viele Stoffe, die in Produkten vorkommen, werden entweder nicht freigesetzt und aufgenommen oder in nur so geringen Mengen, dass sie keine gesundheitliche Beeinträchtigung erwarten lassen.
Wird bei der Festlegung von Grenzwerten berücksichtigt, dass der Mensch verschiedene Phthalate gleichzeitig aufnehmen kann?
Die verschiedenen Phthalate können sich in ihrer Wirkung unterscheiden. Daher wurden bei der gesundheitlichen Risikobewertung ursprünglich meist die Wirkungen einzelner Phthalate betrachtet. Bei neueren Bewertungen werden dagegen inzwischen Phthalate mit vergleichbaren Wirkungen als Gruppen zusammengefasst und gemeinsam bewertet. Ein Beispiel dafür ist das seit Juli 2020 geltende Verbot von DEHP, DBP, BBP und DIBP in verschiedenen Erzeugnissen. Grundlage dafür war ein Beschränkungsverfahren im Rahmen der EU-Chemikalienverordnung REACH, in dem diese vier Phthalate zusammen berücksichtigt wurden.
Die Zusammenfassung von Phthalaten in Stoffgruppen hat sich inzwischen in verschiedenen Bewertungsgremien durchgesetzt: So hat auch die EFSA in ihrer jüngsten Bewertung von Phthalaten mehrere Vertreter dieser Gruppe zusammen betrachtet und bewertet, die für die Verwendung in Lebensmittelkontaktmaterialien zugelassen sind. Auch die europäische Chemikalienagentur ECHA empfiehlt, dass bei der weiteren Regulierung von Phthalaten und der Festlegung von Grenzwerten für deren Einsatz mehrere Phthalate in eine Gruppe zusammengefasst – und nicht nur einzelne Substanzen betrachtet werden sollten.
In welchen Produkten ist der Einsatz von Phthalaten verboten?
Bereits im Jahr 2005, noch vor Inkrafttreten der EU-Chemikalienverordnung REACH, wurde der Einsatz der fortpflanzungsgefährdenden Phthalate DEHP, DBP und BBP in Babyartikeln und Spielzeug verboten. Seit Juli 2020 ist ihr Einsatz und der Einsatz von DIBP auch in zahlreichen weiteren Produkten stark eingeschränkt. So dürfen viele Erzeugnisse nicht mehr in Verkehr gebracht werden, wenn eines der im Produkt verwendeten Materialien zu mehr als 0,1 % seines Gewichts aus diesen Phthalaten besteht. Dabei spielt es keine Rolle, ob nur ein einzelnes Phthalat enthalten ist oder eine Kombination aus mehreren dieser Phthalate. In Bekleidung sind darüber hinaus DnHexP, DPP und drei weitere fortpflanzungsgefährdende Phthalate verboten. In Spielzeug und Babyartikeln, die von Kindern in den Mund genommen werden können, sind darüber hinaus auch weitere Phthalate unzulässig, die in anderen Bereichen oft als Alternativen zu den bereits genannten eingesetzt werden – beispielsweise DINP, DIDP und DNOP. Darüber hinaus gibt es ein generelles Verbot für den Einsatz von fortpflanzungsgefährdenden Stoffen in Gemischen für den Verkauf an die breite Öffentlichkeit, also beispielsweise in Farben, Dichtstoffen und Haushaltschemikalien, das auch den Einsatz der genannten Phthalate umfasst.
Im Bereich der Lebensmittelsicherheit hat die Europäische Union die Verwendung von Phthalaten weitgehend beschränkt. So gelten für Lebensmittelkontaktmaterialien Grenzwerte und Beschränkungen für die Einsatzmenge und den maximal zulässigen Übergang in das jeweilige Lebensmittel. Außerdem dürfen sie nicht in Gegenständen für den Einmalgebrauch verwendet werden oder in Kontakt mit fetthaltigen Lebensmitteln oder Säuglings- und Kleinkindnahrung kommen.
Im Bereich der Kosmetika sind die kritischen Phthalate wie beispielsweise DEHP, BBP und DBP laut EU-Kosmetik-Verordnung verboten.
Welche Ersatzstoffe gibt es für Phthalate?
Als Ersatz für die Verwendung der gesundheitsgefährdenden Phthalate wurden verschiedene Alternativen entwickelt. So werden als Weichmacher einerseits bestimmte toxikologisch weniger bedenkliche Phthalate genutzt, wie beispielsweise DIDP. Andererseits werden inzwischen auch Weichmacher entwickelt und eingesetzt, die nicht auf der ortho-Phthalatstruktur basieren, wie z. B. epoxydierte Sojabohnenöle, Adipate, Citrate, Adipinsäurepolyester oder Cyclohexanoat, Trimellitate, 1,2-Cyclohexandicarbonsäuredinonylester (DINCH) und Sebacate.
Für einige der Alternativen deuten die verfügbaren Daten darauf hin, dass sie weniger problematisch sind als die bisher verwendeten, fortpflanzungsgefährdenden Phthalate. Die gesundheitlichen Auswirkungen dieser alternativen Weichmacher sind bisher allerdings teilweise weniger gut untersucht als die in der Vergangenheit besonders häufig eingesetzten Phthalate. Aufgrund ihres möglichen Einsatzes als Phthalat-Ersatzstoffe werden ihre gesundheitlichen Wirkungen jedoch inzwischen verstärkt untersucht und ihr Einsatz teilweise auch gesetzlich reguliert.
Wie arbeiten die für den gesundheitlichen Verbraucherschutz zuständigen Behörden beim Thema Phthalate zusammen?
Für die Überprüfung der Einhaltung der Verbote und der gesetzlichen Grenzwerte in Produkten sind in Deutschland die Überwachungsbehörden der Bundesländer zuständig. Diese sind meist im Geschäftsbereich der Umwelt- oder Verbraucherschutzministerien der Länder angesiedelt.
Zentrale Aufgabe des BfR ist die wissenschaftliche Risikobewertung von Lebens- und Futtermitteln sowie von Stoffen und Produkten als Grundlage für den gesundheitlichen Verbraucherschutz. Das Institut hat keine Überwachungsfunktion, es geht jedoch Hinweisen auf Risiken nach. Das BfR hat zum Beispiel auf verschiedenen Ebenen Vorschläge zur weiteren Regulierung von Phthalaten unter anderem im der EU-Chemikalienverordnung REACH und der CLP-Verordnung gemacht und diese in nationalen und internationalen Gremien vorgestellt.
Im Rahmen der BfR-MEAL-Studie wurden die Konzentrationen von 28 Phthalaten in verbrauchertypisch zubereiteten Lebensmitteln untersucht. Erste Auswertungen der Studiendaten deuten dabei auf nur geringe Phthalat-Gehalte in Lebensmitteln hin.
Das Umweltbundesamt misst regelmäßig die Abbauprodukte von Phthalaten in Urinproben von Kindern und Erwachsenen. Die Auswertung dieser Daten sowie rückblickende Analysen von archivierten Urinproben aus der Umweltprobenbank des Bundes haben ergeben, dass die Exposition junger Erwachsener in Deutschland mit einigen Phthalaten in den vergangenen zwanzig Jahren gesunken ist. Darüber hinaus untersucht das Umweltbundesamt auch das Vorkommen von Phthalaten in Umweltproben, beispielsweise in Gewässern und Flüssen.
Werden bei Untersuchungen auffällige Werte von Phthalaten oder deren Abbauprodukten gefunden, tauschen die unterschiedlichen öffentlichen Institutionen ihre Erkenntnisse aus.