BgVV: Probiotische Lebensmittel müssen sicher sein


04/2000, 24.02.2000


Abschlußbericht einer Arbeitsgruppe am BgVV legt Kriterien für probiotische Mikroorganismen fest.

Presseberichte, nach denen Milchprodukte wie Jogurt, die sogenannte "probiotische" Mikroorganismen enthalten, für bestimmte Menschen gesundheitlich bedenklich sein können, haben kürzlich zu einer vorübergehenden Verunsicherung der Verbraucher geführt. Hierzu ist zunächst zu bemerken, dass bislang kein einziger Fall einer Erkrankung nach dem Verzehr eines probiotischen Lebensmittels bekannt geworden ist. Eine generelle Unbedenklichkeitserklärung kann jedoch für Lebensmittel, die als "probiotisch" ausgelobt werden, nicht ohne Weiteres abgegeben werden. Vielmehr sind vor dem Inverkehrbringen bestimmte Anforderungen und Prüfkriterien zu erfüllen.

Hierzu hat eine beim Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin (BgVV) eingerichtete Arbeitsgruppe "Probiotische Mikroorganismenkulturen in Lebensmitteln", der Sachverständige der Lebensmittelüberwachung, der Wissenschaft, der Wirtschaft, der Verbraucher und des BgVV angehörten, Kriterien aufgestellt, die zur Sicherstellung der gesundheitlichen Unbedenklichkeit sowie zum Nachweis der ausgelobten gesundheitsfördernden Wirkungen probiotischer Lebensmittel überprüft werden müssen.

In ihrem Abschlussbericht hat die Arbeitsgruppe unter anderem festgelegt, dass probiotische Mikroorganismen (hauptsächlich Milchsäurebakterien) - ebenso wie auch andere Keime - in Lebensmitteln nur dann genutzt werden dürfen, wenn ihre gesundheitliche Unbedenklichkeit feststeht. Aufgabe des Herstellers ist es, dies für jeden einzelnen von ihm als Probiotikum eingesetzten Bakterienstamm sicherzustellen.

Ob Mikroorganismen gesundheitlich bedenklich oder unbedenklich sind, hängt von ihrer individuellen genetischen Ausstattung ab. Die Entscheidung "sicher " oder "nicht sicher" muss daher stets in Abhängigkeit von dieser stammspezifischen genetischen Ausstattung gesehen werden. Daneben ist auch die gesundheitliche Befindlichkeit bestimmter Konsumentengruppen (z.B. Kleinkinder oder Menschen mit geschwächten Abwehrkräften) zu berücksichtigen. So ist zum Beispiel bekannt, dass einzelne Lactobacillus- oder Enterokokken- Stämme bei Menschen mit geschwächtem Immunsystem gesundheitliche Probleme bereiten können. Eine auf Milchsäurebakterien zurückzuführende Infektionserkrankung durch den Verzehr von Lebensmitteln ist jedoch bisher noch in keinem Fall nachgewiesen worden. Andererseits sind bestimmte Infektionswege denkbar, welche die natürlichen Barrieren des Körpers (z.B. Schleimhäute) umgehen und eine Beteiligung der üblicherweise bereits vorhandenen Mikroflora möglich machen. Keime der Lactobacillus casei-Gruppe und Streptokokken sind hin und wieder in der Mundflora des gesunden Menschen angetroffen worden.

Die traditionell in Lebensmitteln eingesetzten Milchsäurebakterien sind nach dem derzeitigen Stand des Wissens gesundheitlich unbedenklich.

Die BgVV-Arbeitsgruppe hat darüber hinaus gefordert, dass bestimmte physiologische Leistungen von probiotischen Organismen hinsichtlich ihrer gesundheitlichen Unbedenklichkeit zu überprüfen sind. Dies gilt nicht nur für Stoffwechselprodukte der Organismen wie biogene Amine. Es muss auch überprüft werden, ob die probiotischen Mikroorganismen im Körper bestimmte Substanzen aktivieren, die gesundheitlich bedenklich sind (z.B. "Prokanzerogene", d.h. Stoffe, die im Zusammenwirken mit anderen Stoffen oder Organismen Krebs auslösen können) oder ob sie sonst die Körperfunktionen beeinflussen, indem sie beispielsweise die Zusammenballung der Blutplättchen bei der Gerinnung (Thrombozytenaggregation) aktivieren und damit das Risiko von Gefäßverschlüssen erhöhen.

Das BgVV fordert die Hersteller auf, Mikroorganismen, die als Probiotika in Lebensmitteln eingesetzt werden sollen, nach den von der Arbeitsgruppe aufgestellten Kriterien für die Sicherheitsbewertung zu überprüfen und sich an die empfohlenen Nachweiskriterien für die gesundheitlichen Wirkungen probiotischer Mikroorganismen zu halten.

Der Abschlussbericht der Arbeitsgruppe steht im Internet zur Verfügung und kann mit dem Acrobat Reader gelesen werden.


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