Toxische Substanzen in Bedarfsgegenständen, kosmetischen Mitteln und Tabak

Toxikologische Prüfungen werden heutzutage meist mit Einzelsubstanzen durchgeführt. Der Verbraucher kommt aber in der Regel nicht mit einzelnen Substanzen, sondern mit komplexen Substanzgemischen in Berührung: Beim Verzehr von Lebensmitteln, durch Migration von Bestandteilen aus Lebensmittelverpackungen in das Lebensmittel sowie beim Gebrauch von Körperpflegemitteln und anderen Produkten wie Spielzeug oder Kleidung. Weiterhin kann es beim Herstellungsprozess und Gebrauch von Bedarfsgegenständen zur Bildung von Folgeprodukten kommen, deren Struktur und Toxizität weitgehend unbekannt sind, wobei auch an Substanzinteraktionen zu denken ist. Daraus ergibt sich somit die Notwendigkeit, Substanzgemische, die aus verbrauchernahen Produkten (wie Lebensmittelverpackungen) auf Lebensmittel oder direkt in den Menschen übergehen (migrieren) können, auf ihre gesundheitliche Unbedenklichkeit hin zu überprüfen.

Untersuchungen zur Migration von Stoffen aus Bedarfsgegenständen in Lebensmittel

Ziel der Untersuchung von Substanzgemischen aus Bedarfsgegenständen ist die Identifizierung von migrierfähigen und problematischen Substanzen wie Weichmacher, Vulkanisationsbeschleuniger (Mercaptobenzthiazol, Thiurame) oder Azofarbstoffe. So werden beispielsweise Azofarbstoffe in Spielzeug, Bekleidung und kosmetischen Mitteln als Färbemittel sowie als Haarfarben verwendet. Einige Azofarbstoffe sind als krebserzeugend und allergieauslösend bekannt, die verfügbaren toxikologischen Daten sind jedoch unvollständig.

Um weitere Kriterien für die Risikobewertung der entsprechenden verbrauchernahen Produkte zu erarbeiten bzw. Optionen für Handlungsmaßnahmen bei Produkten mit gesundheitlich bedenklichen Inhaltsstoffen aufzeigen zu können, sollen die toxikologischen Eigenschaften der migrierfähigen Substanzen und ihrer Stoffwechselprodukte erfasst sowie deren Hautpenetration bestimmt werden.

Forschungsfelder

  • Übergang von Weichmachern in Lebensmittel
    Die in den Verschlüssen (Twist Off-Deckeln) von Glasbehältnissen für Lebensmittel verwendeten Dichtmassen enthalten hohe Anteile an Weichmachern, hauptsächlich Phthalate, die in erheblichen Maße in fetthaltige Lebensmittel übergehen können. Auch Speiseöle können durch den Übergang von Weichmachern aus den im Prozess der Gewinnung und Verarbeitung verwendeten Materialien (z. B. Schläuche oder Behälter) mit diesen Substanzen belastet sein. Für eine Abschätzung der Exposition mit Weichmachern aus diesen Quellen stehen nur in sehr begrenztem Umfang Daten zur Verfügung.

  • Perfluorchemikalien in Lebensmittelverpackungen
    Als eine der Ursachen für die in menschlichem Blut festgestellten Konzentrationen an Perfluoroctansäure (PFOA) muss der mögliche Übergang dieser Substanz sowie auch von Fluortelomer-Alkoholen (FTOH) aus Perfluorchemikalien betrachtet werden. Diese Substanzen werden zur wasser- und fettabweisenden Ausrüstung von Papieren für den Lebensmittelkontakt verwendet. Es liegen Hinweise vor, dass aus FTOH im menschlichen Organismus Perfluoralkansäuren gebildet werden. PFOA hat eine sehr lange Halbwertszeit im menschlichen Körper. Für die Einschätzung dieses Expositionspfades stehen Daten zur Migration von PFOA und FTOH bisher nur in sehr geringem Umfang zur Verfügung.

Toxikologische Untersuchungen mit in-vitro-Modellen

Forschungsbedarf besteht im Rahmen der Produktsicherheit sowohl im analytischen als auch im toxikologischen Bereich. Verschiedene gesundheitlich relevante Wirkungen von Substanzgemischen können mittlerweile in geeigneten Zellkulturen untersucht werden. Ein Vorteil der Prüfung in Zellkulturen ist die Möglichkeit, eine Vielzahl von Substanzgemischen anhand unterschiedlicher toxikologischer Parameter zu testen. Analytisch charakterisierte Migrate sowie definierte Migratbestandteile sollen auf Zellen schädigende, hautreizende und sensibilisierende Wirkungen, aber auch im Hinblick auf ihre mögliche Erbgut schädigende Wirkung in Zellkulturen untersucht werden. An ausgewählten Migraten wird darüber hinaus deren Hautpenetration in einem in vitro-Modell bestimmt.

Forschungsfelder

  • Toxikologische Untersuchungen zu Stoffen aus Bedarfsgegenständen
    Die Genotoxizität von Azofarbstoffen und deren Metaboliten sowie Vulkanisationsbeschleunigern soll in einem bakteriellen Mutagenitätstest (Ames-Test) sowie einem in-vitro-Test an Säugerzellen (V79-Mikrokerntest) bestimmt werden. Zudem sollen Versuche mit Eluaten aus gefärbten Textilien und Migraten aus Gummimaterialien durchgeführt werden.

    Die Genotoxizität des Modellfarbstoffs Direktblau 14 und seines Metaboliten o-Tolidin wurden in einem bakteriellen Mutagenitätstest (Ames-Test) sowie einem in-vitro-Test an Säugerzellen untersucht (V79-Mikrokerntest). Zudem wurden erste Versuche mit Eluaten aus gefärbten Textilien durchgeführt.

  • Metabolismus von Azofarbstoffen
    Durch in-vitro-Experimente mit Hautbakterien soll geklärt werden, inwieweit mikrobiell erzeugte Metabolite von Azofarbstoffen zur systemischen Verfügbarkeit von aromatischen Aminen beitragen.

    Ergebnisse:

    Für drei Kosmetikfarbstoffe wurde eine Azospaltung zu krebserzeugenden Aminen nachgewiesen. Die Sicherheit dieser Stoffe muss in Frage gestellt werden.

    Für einen allergieauslösenden Textilfarbstoff (Dispersionsgelb 3) wurde eine Methodik zur Quantifizierung der Azospaltung etabliert und validiert. Eine Azospaltung wurde ebenfalls belegt.

In weiteren Studien in Zusammenarbeit mit der Universitätsklinik Charité, Berlin, wird das sensibilisierende Potenzial des Azofarbstoffs und seiner Metaboliten untersucht. Parallele Studien befassen sich mit der Hautpenetration.

  • Entwicklung eines Screeningsystems zur Toxizität von Migranten aus Bedarfsgegenständen in Keratinozyten
    Für die Risikobewertungen von Bestandteilen kosmetischer Mittel und von Bedarfsgegenständen mit Körperkontakt werden neben Daten zur Toxizität der Substanzen insbesondere Informationen zur Hautpenetration benötigt, um die systemische Exposition zu ermitteln. Zu diesem Zweck soll eine Methode zur Bestimmung der Hautpenetration an menschlichen Hautzellen in vitro in Anlehnung an die OECD Guideline 428 etabliert werden. Als Modellsubstanzen dienen Pestizide, Azofarbstoffe in Textilien und Vulkanisationsbeschleuniger aus Gummimaterialien.

    Ergebnisse:

    Für Zellkultursysteme aus Primärzellen und Zelllinien wurde eine spezielle Methode entwickelt, die eine simultane Detektion von Zellwachstum und programmiertem Zelltod (TUNEL- Ki67-Doppelmarkierung) ermöglicht und damit etablierte Methoden zur Zytotoxizitätsmessung (MTT, Neutralrottest) ergänzt. Binäre Gemische von Modellsubstanzen zeigten dabei additive bis überadditive Effekte bei der Zytotoxizität und Apoptose bei einer gleichzeitigen Reduktion der Wucherung (Proliferation).

  • Untersuchungen zu Schadstoffen im Wasserpfeifenrauch
    Etwa 100 Millionen Menschen rauchen weltweit täglich Wasserpfeife. Inzwischen nimmt diese Art des Tabakkonsums auch in Deutschland zu. Erste Untersuchungen zeigen, dass der Rauch der Wasserpfeife hohe Gehalte an Kohlenmonoxid und Metallen sowie Metalloxiden aufweist. Es wurden auch Spuren polyzyklischer Kohlenwasserstoffe nachgewiesen. Eine erste Studie im BfR soll Hinweise auf die Exposition eines Wasserpfeifenrauchers gegenüber dieser Substanzklasse geben.


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