Gesundheitliche Risikobewertung von Nanomaterialien
Ob von Nanomaterialien oder Produkten, die solche enthalten, gesundheitliche Risiken für Verbraucherinnen und Verbraucher ausgehen können, lässt sich nicht pauschal beantworten. Gegenstand der wissenschaftlichen Risikobewertung des BfR sind im Regelfall gezielt hergestellte Nanomaterialien, die beispielsweise in zahlreichen Bedarfsgegenständen eingesetzt werden.
Nanomaterialen weisen im Vergleich zu herkömmlichen Materialien veränderte und/oder zum Teil auch neuartige Eigenschaften und Funktionen auf, die sie für viele Anwendungsbereiche interessant machen, allerdings auch besondere Aufmerksamkeit aus regulatorischer Sicht verdienen. Produktionsmengen und Formenvielfalt steigen stetig an, was eine erhöhte und eventuell auch neuartige Belastung für Verbraucherinnen und Verbraucher bedeuten kann, beispielsweise wenn Nanomaterialien aus Produkten freigesetzt werden.
Definition: Die Europäische Kommission hat im Jahr 2011 erstmals eine Definitionsempfehlung für Nanomaterialien veröffentlicht (2011/696/EU), welche zwischenzeitlich aktualisiert wurde (2022/C 229/01). Der Begriff „Nanomaterial“ umfasst Materialien, die aus Partikeln im festen Zustand bestehen, die entweder eigenständig oder als Bestandteile von Aggregaten oder Agglomeraten auftreten, sofern mindestens 50 % der Anzahl dieser Partikel eine oder mehrere der folgenden Bedingungen erfüllen:
- ein oder mehrere Außenmaße der Partikel liegen im Größenbereich von 1 nm bis 100 nm;
- die Partikel haben eine längliche Form wie z.B. Stab, Faser oder Röhre, wobei zwei Außenmaße kleiner als 1 nm sind und das andere Außenmaß größer als 100 nm ist;
- die Partikel haben eine plättchenartige Form, wobei ein Außenmaß kleiner als 1 nm ist und die anderen Außenmaße größer als 100 nm sind.
Diese aktualisierte Empfehlung soll als Basis für die Definition von Nanomaterialien in verschiedenen Rechtsbereichen dienen. Die Kommission erlaubt dabei allerdings auch, in einzelnen Rechtsbereichen bestimmte Änderungen oder Abweichungen festzulegen, z. B. bestimmte Materialien aus dem Anwendungsbereich spezifischer Rechtsvorschriften oder Bestimmungen auszuklammern, selbst wenn es sich bei diesen um Nanomaterialien im Sinne dieser Empfehlung handelt. Ebenso kann es als notwendig erachtet werden, im Rahmen spezifischer Rechtsvorschriften rechtliche Anforderungen für weitere Materialien auszuarbeiten, die nicht unter die Definition der vorliegenden Empfehlung fallen.
Weitere ausgewählte Information zur Definition bestimmter Begriffe einschließlich der Definition in verschiedenen Rechtsbereichen finden sich in den ausgewählten Fragen und Antworten zu Nanomaterialien.
Gesundheitsrisiken von Nanomaterialien
Aus Sicht der gesundheitlichen Risikobewertung sind besonders die Produkte zu betrachten, in denen Nanomaterialien in ungebundener Form vorliegen oder aus denen diese leicht freigesetzt werden.
Im Vergleich zu herkömmlichen Materialien weisen Nanomaterialien veränderte und zum Teil auch neuartige Eigenschaften und/oder Funktionen auf. Daraus ergeben sich Verdachtsmomente, die im Rahmen einer Risikobewertung gezielt überprüft werden:
- Aufnahme, Verteilung im Körper und Ausscheidung (Toxikokinetik): Nanomaterialien können auf Grund ihrer geringen Größe einige Körperbarrieren leichter überwinden und eine andere Verteilung im Körper aufweisen als die entsprechenden nicht-nanoskaligen Materialien.
- Reaktionsfreudigkeit: Nanomaterialien haben eine große spezifische Oberfläche (Oberfläche-zu-Volumen-Verhältnis), was häufig mit einer größeren Reaktionsfreudigkeit einhergeht. Dies birgt ein Risiko für entzündliche Reaktionen, die bei längerer Dauer zu Organschädigungen führen können.
- Beständigkeit im Körper (Biopersistenz): Einige Nanomaterialien zeigen eine sehr lange Verweildauer in einzelnen Organen, so dass im Zeitverlauf, die Mengen ansteigen und somit eventuell aufgrund der Reaktionsfähigkeit der Nanopartikel Gesundheitsschäden auftreten können.
Betrachtung der Aufnahmepfade
Bei der Risikobewertung von Nanomaterialen sind aufgrund der breiten Anwendung in unterschiedlichen Produkten verschiedene Aufnahmepfade von Interesse: über die Atemwege (inhalativ), über den Verdauungstrakt (oral) sowie über die Haut (dermal).
Aufnahme über die Atemwege
Das größte Risiko für eine gesundheitliche Beeinträchtigung sehen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler beim Einatmen von Nanomaterialien. Denn dabei kann es zu entzündlichen Vorgängen in der Lunge kommen, die im chronischen Fall zu Organschädigungen und auch zur Tumorentstehung führen können. Ein besonderes Risiko geht von biobeständigen Fasern mit kritischen Abmessungen aus, die asbestähnliche Wirkungen vermitteln und so Tumore in der Lunge und im Bauchfell (Mesotheliome) verursachen können. Ein weiteres Risiko besteht zudem darin, dass beim Einatmen von Nanomaterialien ein kleiner Anteil in weitere Organe gelangen kann. Weiterhin besteht die Möglichkeit, dass (z. B. ausgelöst durch Entzündungsprozesse), auch Botenstoffe (Mediatoren) freigesetzt werden, die dann in anderen Organen adverse Wirkungen vermitteln.
Aufnahme über den Verdauungstrakt
Ob es Risiken durch die Aufnahme von Nanomaterialien über den Magen-Darm-Trakt gibt, ist bislang noch nicht abschließend geklärt. Allerdings wurde auch nach oraler Aufnahme gezeigt, dass ein kleiner Anteil der Partikel in weitere Organe transportiert werden kann. Auch hier besteht die Möglichkeit, dass z. B. über Entzündungsprozesse Botenstoffe (Mediatoren) freigesetzt werden und dann in anderen Organen adverse Wirkungen vermitteln.
Aufnahme über die Haut
Die Aufnahmemenge von Nanomaterialien über die intakte menschliche Haut ist nach derzeitigem Stand des Wissens sehr gering.
Herausforderungen bei der gesundheitlichen Risikobewertung von Nanomaterialien
Bei einer Risikobewertung ist jedes Nanomaterial separat zu prüfen und jede Anwendung individuell zu betrachten. Die grundlegenden Prinzipien einer gesundheitlichen Risikobewertung gelten auch für Nanomaterialien: es müssen mögliche Gesundheitsgefahren (schädliche Wirkungen) und die tatsächliche Belastung (Exposition) betrachtet werden. Die Risikobewertung von Nanomaterialien birgt jedoch einige besondere Herausforderungen:
- Physikochemische Charakterisierung: Im Rahmen der physikochemischen Charakterisierung sind auf Grund der partikulären Natur viele weitere Parameter relevant. Zudem ist eine Charakterisierung zusätzlich auch in verschiedenen biologisch relevanten Umgebungen durchzuführen, da sich einige physikochemische Eigenschaften umgebungsabhängig ändern können.
- Expositionsdaten: Verlässliche Daten zur Exposition von Verbraucherinnen und Verbrauchern fehlen häufig.
- Prüfrichtlinien und Leitfäden: Die Anpassung von Prüfrichtlinien (englisch: test guidelines, TGs) und Leitfäden (englisch: guidance documents, GDs) der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) zur gesundheitlichen Bewertung von Nanomaterialien ist noch nicht abgeschlossen.
- Bewertungskonzepte und Screeningverfahren: Aufgrund der großen Variantenvielfalt kommen der Entwicklung von neuen Bewertungskonzepten (z.B. Gruppenbildung) und verlässlichen Screening-Verfahren eine besondere Bedeutung zu.
Bewertete Nanomaterialien im verbrauchernahen Bereich
Es wurden Risikobewertungen für eine große Anzahl von Nanomaterialien durchgeführt, die in kosmetischen Mitteln verwendet werden. Eine Übersicht der Bewertungen bietet die Website des Wissenschaftlichen Ausschuss Verbrauchersicherheit (SCCS) der EU-Kommission. (https://health.ec.europa.eu/scientific-committees/scientific-committee-consumer-safety-sccs/sccs-opinions_en)
Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hat Nanomaterialien bewertet, die in Kunstoffen mit Lebensmittelkontakt verwendet werden. Die Bewertungen werden im EFSA-Journal veröffentlicht. Im Anhang I der entsprechenden Verordnung (EU) Nr. 10/2011 werden die zugelassenen Nanomaterialien gelistet.
Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hat weiterhin Eisenhydroxid-Adipat-Tartrat (IHAT) entsprechend der Verordnung über neuartige Lebensmittel (EU) 2015/2283 in Nanoform bewertet, welches seit dem Jahr 2022 durch die Europäische Kommission als Nahrungsergänzungsmittel zur Versorgung mit Eisen zugelassen ist (EU 2022/1373).
Es wurden auch Stoffe im Rahmen der übergeordneten EU-Chemikalienverordnung REACH bewertet, deren Nanoformen für Verbraucherprodukte relevant sind.
Risikobewertung von Nanomaterialien in verschiedenen Chemikalienrechtsbereichen
Die Bewertung gesundheitlicher Risiken von Nanomaterialien geschieht im Rahmen verschiedener Chemikalienrechtsbereiche.
Die übergeordnete EU -Verordnung zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH), (EG) Nr. 1907/2006 sowie einige produktspezifische Regulierungen wurden bereits an die Erfordernisse von Nanomaterialien angepasst. Nachfolgend ist der aktuelle Stand in den wichtigsten Bereichen beschrieben.
Nicht alle Produkte werden durch eigene rechtliche Regelwerke reguliert. Allerdings sind grundsätzlich alle Hersteller durch die Europäische Produktsicherheitsrichtlinie bzw. durch die ab 13. Dezember 2024 geltende Verordnung (EU) 2023/988 über die allgemeine Produktsicherheit verpflichtet, die Sicherheit ihrer Produkte zu garantieren.
Nanomaterialien im Europäischen Chemikalienrecht (REACH)
Im europäischen Chemikalienrecht wurde die REACH Verordnung (Verordnung zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (EG) Nr. 1907/2006) zweimal angepasst, um den Besonderheiten von Nanomaterialien Rechnung zu tragen. Über die revidierten Anhänge der Verordnung (EU) Nr. 2018/1881, welche am 01.01.2020 in Kraft traten, werden „Nanoformen“ eines Stoffes definiert und es wurde festgelegt, welche Informationen zu Nanoformen von Herstellern und Importeuren für die Registrierung in Form von Dossiers vorgelegt werden müssen. Nanospezifische Informationsanforderungen umfassen Angaben zur Substanzidentität und zur physikochemischen Charakterisierung (beschrieben in Anhang VI der REACH VO), als auch human- und umwelttoxikologische Endpunkte (je nach Tonnage beschrieben in den Anhängen VII, VIII, IX und X der REACH VO). Zusätzlich wurde mit der Verordnung (EG) Nr. 2020/878 der Anhang II der REACH VO angepasst, der Anforderungen für die Erstellung der Sicherheitsdatenblätter beschreibt.
Die europäische Chemikalienagentur ECHA unterstützt die Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben für Nanomaterialien mit Ergänzungen in einer Reihe von Leitfäden, z.B. zur Registrierung und Substanzidentifikation von Nanoformen oder zur gesundheitlichen Bewertung von Nanoformen. Zudem überprüft sie im Rahmen von Dossier-Bewertungen einige Dossier-Inhalte auf die Einhaltung der Vorgaben. Für ausgewählte Stoffe (einschließlich Nanomaterialien bzw. Nanoformen eines Stoffes), für die sich Verdachtsmomente ergeben, können die Mitgliedstaaten zusammen mit der ECHA Stoffbewertungsverfahren durchführen. Dabei nutzen die Mitgliedstaaten neben den Dossier-Inhalten auch weitere Information für eine Schlussfolgerung, ob ein möglicherweise von der Verwendung des Nanomaterials ausgehendes gesundheitliches Risiko ausreichend kontrolliert ist.
Gesetzliche Regulierung von Nanomaterialien in Kosmetischen Mitteln
In kosmetischen Mitteln werden entsprechend der EU -Kosmetikverordnung (EG) Nr. 1223/2009 Nanomaterialien explizit berücksichtigt. Nach Artikel 16 der EU -Verordnung müssen kosmetische Mittel, die Nanomaterialien enthalten, seit dem 11.01.2013 der EU Kommission gemeldet werden. Kosmetische Mittel, die Nanomaterialien enthalten, müssen nach Artikel 13 der EU -Verordnung sechs Monate vor dem Inverkehrbringen auf elektronischem Wege notifiziert werden. Es müssen dabei umfassende Informationen zum Nanomaterial (Spezifikation der physikalischen und chemischen Eigenschaften, Schätzung der in Verkehr gebrachten Mengen, vorhersehbare Expositionsbedingungen, sowie das toxikologische Profil und Sicherheitsdaten) vorgelegt werden. Ausgenommen sind davon kosmetische Mittel, die Nanomaterialien in Übereinstimmung mit den Anforderungen gemäß Anhang III enthalten, sowie Nanomaterialien, die als Farbstoffe, UV-Filter oder Konservierungsstoffe Verwendung finden. Die Europäische Kommission hat im Juli 2021 einen Bericht über die Verwendung von Nanomaterialien in kosmetischen Mitteln veröffentlicht: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:52021DC0403&from=EN.
Wenn die EU-Kommission Bedenken hinsichtlich der Sicherheit eines notifizierten Nanomaterials hat, fordert sie ein wissenschaftliches Experten-Komitee - den Wissenschaftlichen Ausschuss Verbrauchersicherheit (SCCS)- auf, innerhalb von sechs Monaten eine Stellungnahme abzugeben (Artikel 16 Absatz 4). In Fällen, in denen weitere Daten sowie Klarstellungen erforderlich sind, besteht erneut eine 6-Monatsfrist zur Bewertung nach Eingang der fehlenden Informationen. Bestimmte Kategorien kosmetischer Inhaltsstoffe - z.B. Farbstoffe, UV-Filter und Konservierungsmittel, einschließlich ihrer Nanoformen - können in kosmetischen Mitteln grundsätzlich nur dann verwendet werden, wenn sie eine Bewertung durch den SCCS durchlaufen haben und durch die Europäische Kommission in die Anhänge IV-VI der EU -Kosmetikverordnung aufgenommen wurden (Artikel 14 Absatz 1 Buchstaben c bis e). Grundlage für die Risikobewertung sind der SCCS-Leitfaden zur Bewertung von Nanomaterialien in kosmetischen Mitteln (SCCS/1655/23) sowie die SCCS Notes of Guidance in der aktuellsten Version (SCCS/1467/22). Die SCCS-Bewertung bildet die Basis für regulatorische Entscheidungen (Verbot eines Nanomaterials in kosmetischen Mitteln oder Aufnahme in eine der Positivlisten der EU-Kosmetik-VO).
Bei kosmetischen Mitteln, die Bestandteile in Form von Nanomaterialien enthalten, muss eine entsprechende Angabe im Verzeichnis der Inhaltsstoffe erfolgen. Den Namen dieser Bestandteile muss das Wort „Nano“ in Klammern folgen. Die Kennzeichnungspflicht gilt für alle Nanomaterialien in Kosmetik.
Zugleich überprüft die Europäische Kommission die Nanomaterialien betreffenden Bestimmungen der Verordnung unter Berücksichtigung des wissenschaftlichen Fortschritts und schlägt gegebenenfalls entsprechende Änderungen vor.
Gesetzliche Regulierung von Nanomaterialien in Lebensmittelverpackungen
Für den Bereich der Lebensmittelverpackungen gilt die übergreifende Verordnung (EG) Nr. 1935/2004. Sie reguliert allgemein Materialien und Gegenstände, die dazu bestimmt sind, mit Lebensmitteln in Berührung zu kommen. Diese Verordnung enthält keine nanospezifischen Anpassungen und definiert auch nicht den Begriff Nanomaterial. Allerdings legt sie sehr allgemein fest, dass grundsätzlich alle Materialien und Gegenstände so herzustellen sind, dass sie unter den normalen oder vorhersehbaren Verwendungsbedingungen keine Bestandteile an Lebensmittel in Mengen abgeben, die geeignet sind, die menschliche Gesundheit zu gefährden, eine unvertretbare Veränderung der Zusammensetzung der Lebensmittel herbeizuführen oder eine Beeinträchtigung der organoleptischen Eigenschaften (d. h. Geschmack, Geruch, Färbung) der Lebensmittel herbeizuführen.
Daneben regelt die Verordnung (EU) Nr. 10/2011 Kunststoffe mit Lebensmittelkontakt genauer. Auch diese definiert den Begriff Nanomaterialien nicht, legt aber generell in Artikel 9 fest, dass Substanzen in Nanoform nur dann verwendet werden dürfen, wenn diese explizit bewertet und entsprechend in den Anhang I aufgenommen wurden.
Zuständig für die wissenschaftliche Bewertung ist die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA). Grundlage für die Risikobewertung von Nanomaterialien ist der EFSA-Leitfaden zur Bewertung von Nanomaterialien in der Lebensmittel- und Futterkette, welcher auch Lebensmittelkontaktmaterialien mit abdeckt (( EFSA Journal Vol 19, Issue 8, 2021, e06768). Die EFSA hat bereits einige Nanomaterialien für den Einsatz in Kunststoffen bewertet und die Europäische Kommission hat diese auf Basis der positiven Evaluierung zugelassen. Grundlage der Entscheidung war, dass die entsprechenden Nanomaterialien nicht aus dem Kunststoff ins Lebensmittel übergehen können. Die zugelassenen Nanomaterialien (z.B. Zinkoxid, Siliziumdioxid, Titannitrid, Ruß, Nanoton) befinden sich im Anhang I der Verordnung (EU) Nr. 10/2011.
Für die Bereiche, die noch nicht durch Rechtsvorschriften geregelt sind, wie beispielsweise Silikone, Natur- und Synthesekautschuk oder Papiere, Kartons und Pappen für den Lebensmittelkontakt gibt das BfR Empfehlungen heraus. Wenn nicht anders angegeben, beruhen die Eintragungen in den BfR-Empfehlungen zu Materialien für den Lebensmittelkontakt auf der Risikobewertung der Stoffe in konventioneller Partikelgröße und gelten nicht für technisch hergestellte Nanomaterialien.
Gesetzliche Regulierung von Nanomaterialien in Lebensmitteln
Im Bereich der Lebensmittel findet die Verordnung (EU) 2015/2283 über neuartige Lebensmittel (Novel Foods Verordnung) Anwendung. Alle Lebensmittel, die aus technisch hergestellten Nanomaterialien bestehen oder solche enthalten, gelten als neuartig und bedürfen einer gesonderten Bewertung durch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) und einer Zulassung durch die Europäische Kommission. Grundlage für die Risikobewertung ist der EFSA-Leitfaden zur Bewertung von Nanomaterialien in der Lebensmittel- und Futterkette (EFSA Journal Vol 19, Issue 8, 2021, e06768). Bisher gibt es im Rahmen der Verordnung (EU) 2015/2283 in der EU nur ein gezielt hergestelltes Nanomaterial, welches zum Einsatz in Lebensmitteln zugelassen wurde. Dabei handelt es sich um Eisenhydroxid-Adipat-Tartrat (IHAT) in Nanoform, welches seit 2022 als Nahrungsergänzungsmittel zur Versorgung mit Eisen zugelassen ist (EU 2022/1373).
Die Verwendung von Lebensmittelzusatzstoffen ist in verschiedenen Gesetzen geregelt. Die Grundlage dafür sind die EU Verordnungen (EG) Nr. 1333/2008 und (EU) Nr. 1129/2011 sowie weitere Änderungsverordnungen. Lebensmittelzusatzstoffe werden bei ihrer Zulassung hinsichtlich ihrer gesundheitlichen Unbedenklichkeit bewertet, und zwar in der Form, in der sie in Verkehr gebracht werden sollen. Zuständig dafür ist ebenfalls die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA). Verschiedene zugelassene Lebensmittelzusatzstoffe weisen allerdings eine sehr breite Partikelgrößenverteilung auf, und man hat in diesen bereits Partikel kleiner als 100 Nanometer (nm) nachgewiesen. Der Anteil an Nanopartikeln variiert und kann durchaus bei 10 bis 30 % der gesamten Partikelanzahl liegen. Da allerdings die enthaltenen Partikel mit einem oder mehreren Außenmaßen im Bereich von 1 bis 100 nm weniger als 50 % der Anzahlgrößenverteilung ausmachen, fallen diese nicht unter die Definition von Nanomaterialen. Allerdings ist entsprechend einem weiteren Leitfaden der EFSA zu technischen Anforderungen an regulierte Lebens- und Futtermittel im Rahmen einer Risikobewertung auch zu prüfen, inwieweit konventionelle Materialien nanoskalige Partikel enthalten und dieser Anteil ist dann gegebenenfalls unter Berücksichtigung nanospezifischer Anforderungen gesondert zu bewerten (EFSA Journal Vol 19, Issue 8, 2021, e06769). Für bereits zugelassene Lebensmittelzusatzstoffe, die in anderer als der bisher geprüften und zugelassenen Form verwendet werden sollen, also zum Beispiel als Nanopartikel, sieht die Verordnung (EG) Nr. 1333/2008 eine Neubewertung und ggf. eine Neuzulassung als Voraussetzung für das Inverkehrbringen vor.
Durch die Verabschiedung der Lebensmittelinformationsverordnung (EU) Nr. 1169/2011 ist seit 2014 eine Kennzeichnung aller Zutaten vorgeschrieben, die in Form technisch hergestellter Nanomaterialien vorhanden sind. Diese müssen im Zutatenverzeichnis eindeutig aufgeführt werden, gefolgt von dem in Klammern gesetzten Wort „Nano“.
Gesetzliche Regulierung von Nanomaterialien in Textilien
Textilien wie Bekleidungstextilien oder Bettwaren unterliegen als Bedarfsgegenstände grundsätzlich den Bestimmungen des Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuches. Im Hinblick auf Nanomaterialien gibt es für den Bereich der Textilien keine spezifische gesetzliche Regulierung. Jedoch wird die Ausrüstung von Textilien mit Bioziden seit 2013 über die Biozidverordnung (EU) Nr. 528/2012 geregelt.
So ist zum Beispiel für die Ausrüstung von Textilien mit Titandioxid als UV-Schutz oder mit Kohlenstoff-Nanoröhrchen für eine stärkere Belastbarkeit der Fasern bislang keine Regulierung vorgesehen. Die Hersteller und Vertreiber sind jedoch im Sinne des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches sowie durch die Europäische Produktsicherheitsrichtlinie bzw. ab 13. Dezember 2024 durch die geltende Verordnung (EU) 2023/988 über die allgemeine Produktsicherheit verpflichtet, die Sicherheit ihrer Produkte zu garantieren.
Gesetzliche Regulierung für Nanomaterialien in Bioziden
Im Bereich der Biozide gilt die EU-Biozidverordnung (EU) Nr. 528/2012, die eine Definition von Nanomaterialien enthält. Generell sieht die Biozidverordnung ein zweistufiges Verfahren vor. Zuerst wird in einem europäischen Bewertungsverfahren über die Genehmigung des Biozidwirkstoffs entschieden. Die genehmigten Biozidwirkstoffe werden in einer Positivliste geführt. Die Genehmigung eines Wirkstoffs umfasst nicht seine Nanoform(en). Ein Wirkstoff in Nanoform ist separat zu bewerten und zuzulassen und muss auch ausdrücklich als Nanoform benannt werden. In einem zweiten Schritt müssen die einzelnen Biozidprodukte mit diesem Wirkstoff entweder durch die Mitgliedstaaten oder durch die Europäische Chemikalienagentur ECHA zugelassen werden. Die ECHA führt auch ein entsprechendes Register für alle zugelassenen Produkte. Enthalten die Biozidprodukte Beistoffe in Nanoform, fällt die Bewertung von nanoskaligen Beistoffen in den Regelungsbereich der REACH Verordnung.
Bisher wurden nur wenige nanoskalige Biozidwirkstoffe bewertet. Ein zugelassener nanoskaliger Biozidwirkstoff ist synthetisches amorphes Siliziumdioxid (SiO2) in der Produktart 18 (Insektizide, Akarizide und Produkte gegen andere Arthropoden).
Entsprechend der EU-Biozidverordnung müssen auf dem Etikett der Biozidprodukte die Namen aller enthaltenen Nanomaterialien mit der anschließenden Angabe „Nano" in Klammern angegeben sein.