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Bürgerforen (Planungszelle und Citizen Juries)

Ziele, Aufgaben

Die Einbindung von Vertretenden der allgemeinen Öffentlichkeit in Entscheidungsprozesse ist das Hauptziel dieser Gruppe von Verfahren. Wie bei den Beratungsgremien, gibt es auch hier eine Fülle von Formen, die nicht alle gesondert behandelt werden können. An dieser Stelle sei auf die Verfahren verwiesen, die sich von den Beratungskommissionen dadurch unterscheiden, dass sie jedem betroffenen Bürger die gleiche Chance einräumen, an der Entscheidung mitzuwirken. Chancengleichheit kann auf lokaler Ebene dadurch erzielt werden, dass alle potentiell Betroffenen eingeladen werden und ihnen eine Teilnahme logistisch und zeitlich erleichtert wird. Bei umfangreicheren Vorhaben muss dagegen auf eine Auswahl nach dem Freiwilligkeitsprinzip oder nach einem Repräsentationsverfahren (etwa Delegation oder Zufallsauswahl) zurückgegriffen werden. Solche Verfahren sollen sicherstellen, dass jeder Betroffene unabhängig von seiner sozialen Stellung oder dem Grad der Organisation seiner Interessen gleiche Beteiligungschancen hat.

Planungszelle

Zwei Modelle der Bürgerforen sind theoretisch erarbeitet und praktisch umgesetzt worden Peter Dienel von der Universität Wuppertal hat für diese Foren den Begriff der Planungszelle geprägt. Planungszellen sind Kommissionen von 10-25 Mitgliedern, die nach dem Zufallsprinzip ausgewählt werden und die gegen Vergütung einige Tage ihrer Zeit opfern, um Entscheidungshilfen zu bestimmten Sachfragen anzubieten Die grundlegende Philosophie von Planungszellen ist von dem Wunsch nach fairer Repräsentation aller Betroffenen bei der Entscheidungsvorbereitung und -findung getragen. Das Verfahren der Planungszelle ist bei einer Vielzahl von Problemen auf lokaler wie auf regionaler Ebene angewandt worden.

Citizen Jury

Das zweite Modell stammt aus dem Jefferson Zentrum für Demokratische Prozesse in Minneapolis (U.S. Bundesstaat Minnesota). Der Gründer dieses Zentrums, Ned Crosby, hat seinen Bürgerforen den Namen “Citizen Juries” gegeben. Diese Bezeichnung soll die Nähe zu den Schöffengerichten in den USA signalisieren. Ähnlich wie Schöffen nach ihrem gesunden Menschenverstand beurteilen sollen, ob ein Angeklagter schuldig ist oder nicht, so sollen die Citizen Juries nach Anhörung aller Zeugen (Sachverständige und Interessenvertretende) eine Empfehlung über politische Handlungsoptionen aussprechen. Das Modell von Citizen Juries ist bei Umweltregulationen, bei bildungspolitischen Problemen und bei Wahlen zum Stadt- und Regionalparlament in Minnesota eingesetzt worden.

Voraussetzungen

Die Legitimität und Wirksamkeit von Planungszellen bzw. Citizen Juries sind an drei Voraussetzungen gebunden: Erstens muss der Entscheidungsträger eine Selbstverpflichtung eingehen, die Empfehlungen entweder zu übernehmen oder zumindest zu berücksichtigen. Zweitens müssen die am Konflikt beteiligten organisierten Interessen einer solchen Schiedslösung zustimmen oder sie zumindest tolerieren. Dies wird um so eher geschehen, je mehr die Parteien selber keine Chance mehr wahrnehmen, den Konflikt aus eigenen Kräften zu überwinden und je eher sie davon überzeugt sind, dass sie ihren Standpunkt dem Schiedsgericht überzeugend nahe bringen können. Alle Parteien sind daher eingeladen, als Zeugen auszusagen und ihre Empfehlungen vorzutragen. Drittens müssen genügend Bürgerinnen und Bürger bereit sein, die mit der Teilnahme an den Planungszellen verbundenen Verpflichtungen einzugehen.

Schwierigkeiten

Legitimationsprobleme sind vor allem dann zu erwarten, wenn die betroffene Bevölkerung in sehr unterschiedlichem Maße von einer Maßnahme berührt wird. In diesem Falle erwarten die direkt Betroffenen eine stärkere Vertretung in den Bürgerforen, als ihnen nach dem Zufallsprinzip zustehen würde. Schließlich hat sich gezeigt, dass Foren, die keine Problemlösung erarbeiten, sondern nur Zustimmung oder Ablehnung zu einer Maßnahme signalisieren sollen, systematisch zugunsten einer Ablehnung votieren, weil dies innerhalb der Foren zu den geringsten internen Konflikten führt.

Vorteile

Dagegen erscheinen Problemstellungen, die unterschiedliche, mit Vor und Nachteilen verbundenen Optionen umfassen, für Bürgerforen besonders geeignet. Ein besonderer Vorteil von Bürgerforen ist auch die Möglichkeit, mehrere Foren parallel mit der gleichen Aufgabenstellung zu betrauen und dadurch die Robustheit der gefundenen Lösungen zu testen.

Problembereiche

Die wesentlichen Probleme der Bürgerforen liegen auf dem Gebiet der Sachkompetenz und des Folgewissens. Obwohl die Foren die Möglichkeit bieten, Argumente gegenseitig auszutauschen und die Dynamik der Gruppe für die Bewertung der Kompetenz einzusetzen, fehlen explizite Nachweise für Kompetenz und Wissen. Die Bereitschaft, Sachverständige anzuhören, bietet noch keine Gewähr dafür, dass Sachaussagen nach methodischen Gesichtspunkten überprüft worden sind. Die Konfrontation mit den Präferenzen von Interessengruppen bedeutet ebenso wenig, dass die Angemessenheit der jeweiligen Wertvorstellungen hinlänglich geprüft wurde. Dagegen bieten Bürgerforen einen guten Resonanzboden für anekdotische Evidenz und Aussagen aus der Lebenswelt, die auf Beobachtung oder Gefühlslagen resultieren. Die Probleme einer kompetenten Selektion von Aussagen und Behauptungen stehen deshalb auch bei der Bewertung von Planungszellen an der Spitze der Kritik.