Expositionsmodelle und bessere Datenerhebung für mehr Verbrauchersicherheit bei Chemikalien


42/2016, 07.10.2016


REACH-Kongress 2016: BfR sieht Bedarf für Verbesserungen des Verbraucherschutzes unter REACH


Vom 5. bis 6. Oktober fand am Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) in Berlin der REACH-Kongress 2016 zum Thema „Verbraucherschutz unter REACH“ statt. Mehr als 250 Fachleute diskutierten über aktuelle Entwicklungen und Herausforderungen im europäischen Chemikalienrecht, um Verbraucher vor Risiken durch Chemikalien in Verbraucherprodukten besser zu schützen. „REACH sollte an die zunehmende Verwendung von Nanomaterialien, den Trend zur Tätowierung und an die Verbraucherrisiken durch ‚Do-It-Yourself‘-Produkte aus dem Baumarkt angepasst werden“, so BfR-Vizepräsident Professor Dr. Reiner Wittkowski. „Das BfR ist mit seiner Forschung in den Bereichen Nanomaterialien, Expositionsabschätzung und Tätowiermittel eine treibende Kraft, um den Verbraucherschutz und die regulatorische Risikobewertung unter REACH weiter zu stärken“. Der REACH-Kongress 2016 diente der Standortbestimmung des Verbraucherschutzes unter REACH und dem Austausch von Erfahrungen mit dem Zulassungsverfahren. Auf dieser Grundlage war zu prüfen, ob Folgeaktivitäten unter REACH oder eine Berücksichtigung im anstehenden REACH-Review der EU-Kommission erfolgen sollten.

REACH steht für die Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (Registration, Evaluation, Authorisation and Restriction of Chemicals) und ist die Bezeichnung für das 2007 reformierte europäische Chemikalienrecht. Ein Ziel von REACH ist es, die Gesundheit von Verbrauchern zu schützen. Dabei steht die Exposition gegenüber Stoffen und Gemischen im Haushalt, aus Produkten wie Farben, Klebstoffen, Reinigungsmitteln, Kleidung oder Möbeln im Fokus. Für die gesundheitliche Bewertung ist neben der toxikologischen Bewertung und Einstufung der einzelnen Stoffe auch die Exposition relevant. Es geht dabei um die Gehalte und Freisetzungsraten von Stoffen aus den Produkten und um die Häufigkeit und Dauer des Kontaktes von Verbraucherinnen und Verbrauchern mit den Produkten. Vielfach sind diese Informationen nicht verfügbar. Derzeit wird deshalb bei der REACH-Bewertung die Expositionsabschätzung von modellierten Standardwerten oder von Werten, die Herstellerverbände zur Verfügung stellen, abgeleitet. Das BfR engagiert sich in verschiedenen Projekten mit dem Ziel, Berechnungsmodelle zur Abschätzung der Verbraucherexposition zu entwickeln. So wurde das Konzept der Kernexpositionsszenarien entwickelt, das es erlaubt, gleichartige Expositionsszenarien für verschiedene Verbraucherprodukte gemeinsam zu analysieren. Erste begrenzte Erhebungen zur Anwendung von Schuhimprägniersprays, Fußbodenreinigern und Lufterfrischern hat das BfR erfolgreich durchgeführt. Zudem ist das BfR an der Expositionsschätzung für „Do-It-Yourself“-Produkte beteiligt.

Inhaltsstoffe von Tätowiermitteln sind zurzeit unzureichend reguliert. Tätowiermittel können Schwermetalle und andere gesundheitsschädliche oder allergieauslösende Substanzen enthalten. In der EU erfolgt derzeit keine systematische Prüfung, ob die Inhaltsstoffe von Tätowiermitteln erbgutverändernde, krebserzeugende, fruchtbarkeitsschädigende oder andere gesundheitsgefährdende Wirkungen haben. Nach Auffassung einiger Kongressteilnehmer kann REACH ein geeignetes Instrument sein, um den Schutz von Verbrauchern vor gesundheitlich bedenklichen Stoffen in Tätowiermitteln zu verbessern.

Die Verwendung von Nanomaterialien in verbrauchernahen Produkten wie Textilien, Lebensmittelkontaktmaterialien und kosmetischen Mitteln nimmt kontinuierlich zu. Die speziellen physikochemischen wie technologischen Eigenschaften dieser Materialien sowie deren Formenvielfalt machen sie aus Sicht der Chemikalien- und Produktsicherheit zu besonderen Stoffen, deren Wirkung auf Gesundheit und Umwelt durch die herkömmlichen Regelungen und Methoden der Chemikalienprüfung und -bewertung nur unzureichend erfasst und beschrieben werden kann. Trotzdem werden Nanomaterialen bislang unter REACH nicht gesondert bewertet. Durch Untersuchungen zur Migration von Partikeln aus mit Nanosilber ausgerüsteten Textilien trägt das BfR dazu bei, eine mögliche Exposition von Verbrauchern besser abschätzen zu können. Die Forschungsergebnisse zeigen, dass sich oberflächlich aufgetragene Nanosilberpartikel aus dem Textil lösen können, während Nanomaterialien, die in die Faser eingebaut sind, kaum abgegeben werden. Die aus diesen und anderen Forschungsprojekten zu Nanomaterialien gewonnenen Erkenntnisse tragen zur Bewertung möglicher Verbraucherrisiken bei Nanomaterialien und zu einer Weiterentwicklung der REACH-Verordnung bei.

Gesundheitliche Risiken wie zum Beispiel allergische Reaktionen können für den Verbraucher aus der Verwendung von „Do-It-Yourself“-Produkten entstehen, denn eine Kennzeichnung der Inhaltstoffe ist nicht verbindlich vorgeschrieben. Untersuchungen von Stichproben weisen zum Teil toxikologisch relevante Stoffe in „Do-It-Yourself“-Produkten nach. Die Diskussion der Teilnehmer ergab, dass die Untersuchungen der Überwachungsbehörden der Länder und Meldungen für das RAPEX-Schnellwarnsystem zwar auf gefährliche Produkte aufmerksam machen können, jedoch kein Instrument für eine systematische Überwachung der Produktsicherheit sind.

Das BfR ist als Bewertungsstelle in die europäischen REACH-Prozesse mit der gesundheitlichen Bewertung von Chemikalien sowie der Bewertung des Risikos für Verbraucher eingebunden. Der REACH-Kongress findet auf Initiative des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) seit 2012 im zweijährigen Rhythmus statt. Er wird abwechselnd von den am REACH-Verfahren beteiligten Bundesinstitutionen – Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA), Umweltbundesamt (UBA) und Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) – ausgerichtet.

Über das BfR

Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) ist eine wissenschaftlich unabhängige Einrichtung im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL). Es berät die Bundesregierung und die Bundesländer zu Fragen der Lebensmittel-, Chemikalien- und Produktsicherheit. Das BfR betreibt eigene Forschung zu Themen, die in engem Zusammenhang mit seinen Bewertungsaufgaben stehen.

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