Fragen und Antworten zu Milzbrand und einer möglichen Kontamination von Lebensmitteln mit Bacillus anthracis

FAQ des BfR vom 22. Oktober 2014

In Polen sind Rinder aus einem slowakischen Rinderbestand geschlachtet worden, in dem einige Tage später einige Tiere an Milzbrand erkrankt und verendet sind. Die in Polen geschlachteten Tiere wurden veterinärmedizinisch untersucht und zeigten keine Symptome einer Erkrankung. Auch die Fleischuntersuchung ergab keine Hinweise auf Milzbrand. Nach der Freigabe wurde das Fleisch der Tiere noch vor dem Bekanntwerden der Milzbrandfälle in der slowakischen Herde über die Niederlande an verschiedene fleischverarbeitende Betriebe in einigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union geliefert. Darunter sind auch Betriebe in Deutschland. Nach der Information, dass Fleisch aus einer potenziell mit Milzbrand infizierten Herde in die Lebensmittelkette gelangt ist, hat das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) Fragen und Antworten zum Thema verfasst.

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Was ist Bacillus anthracis?

Bacillus anthracis gehört zur Gattung Bacillus. Es ist ein grampositives und sporenbildendes Stäbchenbakterium und wächst aerob (bei Anwesenheit von Sauerstoff) oder fakultativ anaerob (ohne Sauerstoff). Bacillus anthracis kommt im Boden vor. Das Bakterium löst vorwiegend bei weidenden Tieren Erkrankungen aus. Vegetative Formen von Bacillus anthracis (so bezeichnet man die lebenden, vermehrungsfähigen Bakterien) verlieren außerhalb des menschlichen oder tierischen Gewebes die Virulenz (ihre krankmachende Wirkung) und haben geringe Überlebenschancen. Beim Tod eines infizierten Tieres und durch Austrocknung der Körperflüssigkeiten bilden sich widerstandsfähige Dauerformen, die sogenannten Anthraxsporen.

Was ist Milzbrand?

Als Milzbrand oder Anthrax werden Erkrankungen bezeichnet, die durch eine Infektion mit Bacillus anthracis ausgelöst werden.

Wo kommt Bacillus anthracis vor?

Bacillus anthracis kommt endemisch (das bedeutet, dass das Bakterium in den Tierbeständen vorhanden ist) in Lateinamerika, Asien und Afrika, insbesondere in warmen Gegenden, vor. Auch in europäischen Ländern ist das Bakterium verbreitet, wenn auch nicht so häufig feststellbar wie auf anderen Kontinenten. Als Hauptreservoir werden pflanzenfressende Nutz- und Wildtiere angesehen.

Welche Tiere sind betroffen?

Haus- und Wildwiederkäuer sind hochempfindlich für eine Erkrankung durch den Milzbranderreger. Schweine, Fleischfresser und Vögel (eine Ausnahme ist der Strauß) gelten hingegen als fast resistent. Die Ansteckung erfolgt nicht direkt von Tier zu Tier, sondern über das Futter, das mit aus dem Erdreich stammenden Milzbrandsporen verunreinigt ist. In den letzten drei Jahrzehnten kam es auch in Deutschland zu einzelnen Ausbrüchen von Milzbrand, hauptsächlich bei Rindern.

Wie kann sich der Mensch mit Bacillus anthracis infizieren?

Milzbrand tritt beim Menschen in verschiedenen Verlaufsformen auf. Hautmilzbrand kann durch direkten Kontakt der Haut mit erregerhaltigen tierischen Materialien, wie z. B. Häuten, Organen, Fellen, Wolle, Knochen oder Knochenmehl, ausgelöst werden. Bei der pulmonalen Form (Lungenmilzbrand) werden die Sporen durch Einatmen von Staub oder Aerosolen aufgenommen, während Darmmilzbrand nach Verzehr von hochgradig kontaminiertem Fleisch oder Innereien sowie von Wasser beobachtet wurde. Außerdem kann der intravenöse Konsum von verunreinigtem Heroin Milzbrand auslösen.

Wie lange kann die Inkubationszeit beim Menschen dauern?

Die Inkubationszeit, also die Zeit von der Infektion bis zum Auftreten von Krankheitssymptomen, ist abhängig vom Übertragungsweg und von der Menge der aufgenommenen Erreger. Sie liegt zwischen wenigen Stunden und einigen Tagen, kann aber auch noch länger dauern.

Wie äußert sich eine Infektion mit Bacillus anthracis?

Bei allen Verlaufsformen können schwere Allgemeinsymptome, hohes Fieber, Benommenheit, Herzrhythmus- und Kreislaufstörungen bis zum Schock ausgelöst werden. Hautmilzbrand äußert sich in Form von Papeln mit Rötung und Schwellung, gefolgt von flüssigkeitsgefüllten Bläschen, die in schorfbedeckte nekrotische Geschwüre („Milzbrandkarbunkel“) übergehen. Bei der sehr seltenen pulmonalen Form (Lungenmilzbrand) kann es nach einem unspezifischen Anfangsstadium mit Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen innerhalb von 1 bis 3 Tagen zu einem schweren Krankheitsbild kommen, das mit Blutvergiftung, Lungen- und Herz-Kreislauf-Versagen einhergehen kann.

Beim Darmmilzbrand kann sich das Krankheitsbild durch zwei Verlaufsformen bemerkbar machen. Die oropharyngeale Form (dabei sind Mund und Rachen betroffen) beginnt mit Halsschmerzen, Schluckbeschwerden, Geschwürbildung im Mund oder der Speiseröhre. Es folgen eine ausgeprägte Erkrankung der Lymphknoten, Ödeme und Sepsis. Die abdominale Form zeichnet sich durch Fieber, Müdigkeit und Unwohlsein, später dann durch starke Bauchschmerzen, blutigen Durchfall, Bauchfellentzündung und Sepsis bis hin zum Herz-Kreislauf-Versagen aus.

Können Lebensmittel mit Bacillus anthracis belastet sein?

Werden Tiere aus infizierten Beständen geschlachtet, können Bacillus anthracis und Anthraxsporen auf das Fleisch und in daraus hergestellte Produkte gelangen. Bei der Schlachtung von klinisch gesunden Tieren sind die übertragbaren Erregermengen allerdings erwartungsgemäß sehr gering. Massive Erregermengen werden erst im Stadium einer Bakteriämie, d.h. wenn die Bakterien über das Kreislaufsystem infizierter Tiere verbreitet werden, während der akuten oder perakuten (so bezeichnet man ein sehr schnell und schwer verlaufendes Krankheitsgeschehen) Erkrankungsphase freigesetzt. Darüber hinaus kann es im Zuge der Verarbeitungsschritte des Fleisches zu Fleischerzeugnissen zu einer Reduzierung vorhandener Erreger kommen, z.B. durch Erhitzung oder Säuerung. Außerdem ist die für eine Übertragung auf den Menschen durch Lebensmittel notwendige Menge an Bacillus anthracis nach derzeitiger Kenntnis sehr hoch.

In Deutschland ist Darmmilzbrand beim Menschen in den letzten zwei Jahrzehnten nicht vorgekommen. Berichte über Milzbrandausbrüche bei Wiederkäuern sind selten. Deshalb schätzt das BfR zusammenfassend die Wahrscheinlichkeit, nach Verzehr von in Deutschland hergestellten Lebensmitteln an Milzbrand zu erkranken, derzeit als sehr gering ein.

Wie kann Bacillus anthracis abgetötet werden?

Vegetative Formen von Bacillus anthracis sterben bei küchentechnischen Garverfahren und durch gängige Desinfektionsmethoden leicht ab. Anthraxsporen sind jedoch sehr resistent gegen Hitze, Trockenheit, Tiefgefrieren und die übliche Trinkwasserchlorierung. Außerdem besitzen sie eine ausgeprägte Desinfektionsmittelresistenz. Die Sporen werden erst bei 100 °C für 15 Minuten oder beim Autoklavieren inaktiviert. Durch Säuren (ph-Wert unter 5), starke Sonneneinstrahlung oder stark konzentrierte Desinfektionsmittel (10 % Formaldehyd, 3 % Wasserstoffperoxid, 1 % Peressigsäure) und eine Einwirkzeit von 2 Stunden sterben aber auch Anthraxsporen ab.

Welche Personengruppen sind besonders gefährdet, an Milzbrand zu erkranken?

Personen, die in Schlachtbetrieben mit Tieren aus mit Bacillus anthracis infizierten Beständen in Kontakt kommen, sind eher gefährdet als andere Personengruppen.  Milzbrand-Erkrankungen beim Menschen sind jedoch in den meisten Industrienationen sehr selten. Denkbar wäre eine Infektion über die Haut durch Kontakt mit den Schlachttieren oder dem Fell, mit Fleisch, Blut, Knochen oder weiteren Nebenprodukten dieser Tiere. Diese Form der Infektion könnte außerdem bei Personen auftreten, die in der Zerlegung oder Verarbeitung tätig sind, da diese Tätigkeiten mit einem höheren Verletzungsrisiko und damit mit dem Auftreten von Hautläsionen (Hautschäden) verbundenen sind. Eine Infektion über die Atemwege tritt natürlicherweise noch seltener auf, beispielsweise bei der Verarbeitung kontaminierter Wolle oder Felle in geschlossenen Räumen.

Unter welchen Bedingungen kann sich Bacillus anthracis vermehren?

In einer nährstoffreichen Umgebung, wie z. B. in Blut oder Lymphe eines infizierten Weidetieres, keimen die Sporen bei 8 - 45 °C und in einem pH-Bereich von 5 - 9 aus, so dass sich die vegetative Form der Bakterien im Temperaturbereich zwischen 22 - 42 °C vermehren kann. Unter bestimmten Bedingungen (optimaler Temperatur- und pH-Werte sowie möglichst geringer Begleitflora) ist auch eine Vermehrung im Lebensmittel möglich.



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