Ausgewählte Fragen und Antworten zu Grayanotoxinen in Honig

Aktualisierte FAQ des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) vom 03. Mai 2023

Grayanotoxine sind Pflanzengifte, die unter anderem in einigen Rhododendronarten vorkommen. Die Stoffe können auch in Honig enthalten sein, wenn Bienen den Nektar dieser Pflanzen verarbeitet haben. Das ist vor allem aus der türkischen Schwarzmeerregion bekannt. Aufgrund gelegentlicher Fälle, in denen grayanotoxinhaltiger Honig die Ursache für Vergiftungserscheinungen war, hat das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) die folgenden Fragen zum Thema beantwortet.

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Was sind Grayanotoxine?

Grayanotoxine sind Pflanzengifte, die in den Pollen, Blüten und Blättern sowie dem Nektar verschiedener Gattungen der Familie der Ericaceae auftreten. Ein Beispiel für Grayanotoxin-bildende Pflanzen sind verschiedene Rhododendronarten. Mehr als 180 verschiedene Grayanotoxine kommen natürlich vor. Die Grayanotoxine weisen eine unterschiedliche toxische Potenz auf, wobei aufgrund von experimentellen Daten Grayanotoxin I und Grayanotoxin III die höchste Potenz zugewiesen wird.

In welchen Lebensmitteln können Grayanotoxine enthalten sein?

Grayanotoxine in den Pollen und im Nektar von Grayanotoxin-bildenden Pflanzen können in den Honig eingetragen werden. Entsprechend kann Honig Grayanotoxine enthalten, wenn er in Regionen gewonnen wird, in denen grayanotoxinhaltige Rhododendronarten weit verbreitet sind. Dazu gehören u. a. R. luteum und R. ponticum, die vor allem an der türkischen Schwarzmeerküste, aber auch in Gebirgsregionen in Spanien und Portugal vorkommen, sowie R. ferrugineum, der in der Alpenregion zu finden ist. Allerdings wird nur ein Teil der mehr als 180 verschiedenen natürlich vorkommenden Grayanotoxine auch tatsächlich in Honigen gefunden. Grayanotoxinhaltiger Honig wird auch als „Pontischer Honig“, „mad honey“ oder aufgrund seines bitteren, scharfen Geschmacks als „bitter honey“ bezeichnet.

Wie hoch kann der Gehalt an Grayanotoxinen sein?

Bei Untersuchungen von Rhododendron-Honigen aus Italien in den Jahren 2017-2019 wiesen 30 % der Proben messbare Grayanotoxingehalte von bis zu 0,10 Milligramm pro Kilogramm (mg/kg) auf.. Zwischen den Jahren 2012 und 2017 wurden in der Türkei 127 Honige aus der Schwarzmeerregion auf Grayanotoxine hin untersucht und dabei in 98 Proben Grayanotoxingehalte von bis zu 74 mg/kg nachgewiesen. In einer Analyse von 49 Honigen aus dem deutschen Einzelhandel, welche im Jahr 2015 durchgeführt wurde, konnten keine Grayanotoxine nachgewiesen werden. Die hier untersuchten Honige stammten dabei aus verschiedenen EU- und Nicht-EU-Ländern.

Welche akut-toxischen Wirkungen können durch Grayanotoxine verursacht werden?

Grayanotoxine, die über Lebensmittel aufgenommen werden, können zu akuten Vergiftungserscheinungen führen. Die akuten Symptome betreffen die Muskeln sowie das Herz-Kreislaufsystem, wobei ein verlangsamter Herzschlag sowie ein Blutdruckabfall am häufigsten zu beobachten sind. Es können auch weitere Symptome wie Schwindel, Lähmungen, Übelkeit, Erbrechen, vermehrter Speichelfluss, Schweißausbrüche oder Durchfall auftreten. Die Symptome treten innerhalb von Minuten und bis zu fünf Stunden nach Verzehr der Lebensmittel auf, in der Regel erholen sich die Patientinnen und Patienten innerhalb weniger Tage. Die Ausprägung der Symptome ist abhängig von der Menge des konsumierten Honigs. Die Ergebnisse einer Studie weisen darauf hin, dass Personen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen, die blutdrucksenkende Medikamente einnehmen, anfälliger für die toxischen Wirkungen von Grayanotoxinen zu sein scheinen.

Ab welcher Menge kann grayanotoxinhaltiger Honig Vergiftungssymptome auslösen?

Aus der wissenschaftlichen Literatur geht hervor, dass sich keine genaue Menge benennen lässt, ab der grayanotoxinhaltiger Honig zu Vergiftungen führt. Die Angaben hierzu in der Literatur liegen zwischen 5 und 180 Gramm. Der Grund ist, dass die Honige in ihrer Zusammensetzung sehr unterschiedlich sind und auch der Gehalt an Grayanotoxinen schwankt. Im ungünstigsten Fall könnte schon ein Teelöffel grayanotoxinhaltigen Honigs zu Vergiftungssymptomen führen. Dem BfR liegen derzeit nur wenige Analysedaten über Gehalte an Grayanotoxinen in Honigen aus der Schwarzmeerregion vor, die kausal mit Vergiftungserscheinungen in Verbindung stehen.

Sind in Deutschland Vergiftungsfälle durch Grayanotoxine bekannt?

Nach Informationen des BfR kam es in Deutschland seit dem Jahr 2010 zu mindestens fünf Vergiftungsfällen nach dem Verzehr grayanotoxinhaltigen Honigs. Im Jahr 2012 traten bei einem 56-jährigen Mann nach dem Verzehr von zwei Esslöffeln Honig aus der Schwarzmeerregion starke Vergiftungssymptome wie verlangsamter Herzschlag, Blutdruckabfall, Kreislaufschwäche und Bauchschmerzen auf, wovon sich der Mann jedoch vollständig erholte. Im Jahr 2019 kam es bei einem 40-jährigen Mann nach dem Verzehr von Honig aus der Schwarzmeerregion ebenfalls zu einer schweren Symptomatik mit Bewusstseinseintrübung und verlangsamtem Herzschlag. In allen dem BfR bekannten Vergiftungsfällen handelte es sich um Honig, der entweder nicht in Deutschland im Handel erhältlich oder dessen Herkunft unklar ist.

Welche Auswirkungen auf die Gesundheit sind durch eine langfristige (chronische) Aufnahme von Grayanotoxinen möglich?

In einer Tierstudie mit männlichen Mäusen traten nach der Aufnahme von grayanotoxinhaltigem Honig erbgutschädigende (genotoxische) Effekte auf, die sich u. a. in Chromosomenveränderungen äußerten. Aufgrund fehlender Daten zum Wirkmechanismus der Genotoxizität und mangels Daten zu einer langfristigen Aufnahme grayanotoxinhaltigen Honigs lässt sich derzeit keine sichere Aufnahmemenge ableiten.

Wie können sich Verbraucherinnen und Verbraucher vor Vergiftungen mit Grayanotoxinen schützen?

Das BfR empfiehlt, Rhododendron-Honige vor allem aus der Schwarzmeerregion nicht zu verzehren, weil sie gesundheitsschädliche Mengen an Grayanotoxinen enthalten können. Allerdings sieht die deutsche Honigverordnung keine verbindliche Kennzeichnung für die Herkunftsregion oder die Sorte des Honigs vor, sondern lediglich für das Ursprungsland – oder bei Mischhonig für die Ursprungsländer. Bei Honig, der seinen Ursprung in mehreren Ländern hat, kann auch die Angabe „Mischung von Honig aus EG-Ländern / Nicht-EG-Ländern“ oder „Mischung von Honig aus EG-Ländern und Nicht-EG-Ländern“ verwendet werden. Systematische Daten aus der behördlichen Lebensmittelüberwachung zu Honigen in Deutschland, die Grayanotoxine enthalten, sind derzeit nicht verfügbar.


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