Fragen und Antworten zu Ergotalkaloiden in Getreideerzeugnissen

FAQ des BfR vom 12. November 2013

Ergotalkaloide sind Stoffwechselprodukte bestimmter Pilze, z.B. von Claviceps purpurea. Diese Alkaloide können in Abhängigkeit von der Dosis leichte bis schwere Gesundheitsbeeinträchtigungen verursachen. Untersuchungen in Deutschland und der Europäischen Union haben gezeigt, dass vor allem Roggenerzeugnisse, aber auch aus anderen Getreidesorten hergestellte Getreideerzeugnisse hohe Gehalte an Ergotalkaloiden aufweisen können: Je nach Anbau- und Wetterbedingungen im jeweiligen Erntejahr kann Getreide vermehrt mit der Dauerform des Pilzes, den dunkelfarbigen festwandigen Sklerotien (Mutterkorn), befallen sein, was dann unter ungünstigen Umständen zu erhöhten Ergotalkaloidgehalten in Getreideerzeugnissen führen kann. Das BfR hat Fragen und Antworten zum gesundheitlichen Risiko von Ergotalkaloiden in Getreideerzeugnissen zusammengestellt.

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Was sind Ergotalkaloide?

Ergotalkaloide oder Mutterkornalkaloide finden sich vornehmlich im Mutterkorn eingelagert. Als Mutterkorn werden Strukturen bezeichnet, die von phytopathogenen Pilzen, wie dem Mutterkornpilz (Claviceps purpurea), gebildet werden. Diese, wissenschaftlich Sklerotien genannten, Dauerstadien des Pilzes ragen aus den Spelzen der Ähren von infizierten Wildgräsern und Getreide als „Mutterkorn“ meist durch ihre dunkele Farbe gut sichtbar heraus. Unter den landwirtschaftlich kultivierten Getreidearten ist hier besonders Roggen betroffen, jedoch können auch andere Getreide wie z. B. Weizen von dem Pilz infiziert werden.

Welche gesundheitlichen Risiken können von Ergotalkaloiden für den Menschen ausgehen?

Nach oraler Aufnahme geringer Ergotalkaloidmengen können akut Symptome wie Übelkeit, Bauchschmerzen, Muskelkontraktionen, Kopfschmerzen, Herz-Kreislaufprobleme (z. B. Bluthochdruck) und Störungen des Zentralnervensystems (ZNS) auftreten. Humandaten zeigen, dass Uteruskontraktionen bereits bei geringen Aufnahmemengen auftreten können, die unter Umständen zu Uterusblutungen und Aborten führen. Nach Verzehr hoher Ergotalkaloidmengen sind als akut toxische Wirkungen Durchblutungsstörungen infolge der gefäßverengenden Wirkung auf die Blutgefäße insbesondere des Herzmuskels, aber auch der Nieren und der Gliedmaßen beschrieben. Die Symptome können von Halluzinationen, Krämpfen sowie Empfindungsstörungen und Lähmungen begleitet sein und können nach Atem- oder Herzstillstand zum Tod führen.

Nach chronischer Aufnahme moderater Ergotalkaloidmengen können ebenfalls Effekte auftreten, die die Fortpflanzung betreffen (z. B. Auslösung von Fehlgeburten, geringere Geburtsgewichte, fehlende Milchproduktion). Bei chronischer oraler Aufnahme hoher Ergotalkaloidmengen zeigen sich Symptome, die denen der akuten Aufnahme hoher Ergotalkaloidmengen entsprechen. Kenntnisse hierzu gründen sich auf Beobachtungen unerwünschter Wirkungen, wenn bestimmte Ergotalkaloide als Arzneimittelwirkstoff eingesetzt wurden oder wenn es nach Verzehr von Getreideprodukten mit hohen Ergotalkaloidgehalten zu Krankheitsausbrüchen kam.

Gibt es gesetzliche Regelungen für den Gehalt an Ergotalkaloiden in Getreide und Getreideerzeugnissen?

Für Ergotalkaloide gibt es im Gegensatz zu anderen Mykotoxinen (z. B. Deoxynivalenol oder Zearalenon) weder auf nationaler noch auf europäischer Ebene eine Höchstgehaltsregelung für getreidebasierte Lebensmittel. Allerdings ist in der Verordnung (EU) Nr. 1272/2009, in der die gemeinsamen Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 1234/2007 des Rates hinsichtlich des An- und Verkaufs von landwirtschaftlichen Erzeugnissen im Rahmen der öffentlichen Intervention* geregelt sind, dieser Aspekt berührt. Obwohl sich die Verordnung aktuell ausschließlich auf Mutterkorngehalte in Weichweizen bzw. Hartweizen mit einem Maximalgehalt von 0,05 % Mutterkorn als Mindestqualitätskriterium bezieht, wird Roggen in der Überwachung ebenfalls nach diesem Qualitätskriterium beurteilt.

* Auf europäischer Ebene wird über Interventionsregelungen die Qualität von Getreide festgelegt. Im Rahmen dieser Regelungen werden Qualitätskriterien zum Ankauf von nicht auf dem Markt absetzbarem Getreide festgelegt. Werden diese Qualitätskriterien nicht erfüllt, wird das Getreide von der Interventionsstelle nicht angekauft. Die Überwachungsbehörden der Bundesländer nutzen diese Qualitätskriterien, um zu entscheiden, ob das von ihnen geprüfte Getreide verkehrsfähig ist und für die Lebensmittelerzeugung verwendet werden darf.

Wieso ist das Thema „Ergotalkaloide in Roggenerzeugnissen“ im Moment wieder so aktuell?

Im Jahr 2012 hat die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) erstmalig gesundheitsbezogene Richtwerte (health based guidance values) für tolerierbare Aufnahmemengen von Ergotalkaloiden bei akuter und chronischer Exposition abgeleitet und pharmakologischen Erkenntnissen aus der Arzneimittelanwendung gegenüber gestellt. Bei einer von der Überwachungsbehörde in Baden-Württemberg durchgeführten Untersuchung wurden Gehalte an Ergotalkaloiden in Roggenbrötchen und Roggenmehl gefunden, die abhängig von den jeweiligen Verzehrsmengen zu deutlichen Überschreitungen dieser Richtwerte führen können. Derzeit werden zusätzlich Daten aus den Bundesländern ausgewertet, um die Risikobewertung zu präzisieren. Weiterhin werden im aktuellen Lebensmittelmonitoring durch die zuständigen Behörden der Bundesländer weitere Proben für das Monitoring gezogen und analysiert. Mit diesen Ergebnissen wird geprüft, welche weiteren Maßnahmen im Hinblick auf eine Senkung der Ergotalkaloidgehalte in Getreide notwendig sind. Bei dieser Überprüfung stehen Roggenerzeugnisse im Vordergrund, da in Deutschland vergleichsweise viele Roggenerzeugnisse verzehrt werden und Roggen auch bei dem Befall mit dem Pilz Claviceps purpurea eine zentrale Rolle einnimmt.

Über welche Lebensmittel kann der Verbraucher Ergotalkaloide aufnehmen?

Hauptquelle für die Aufnahme von Ergotalkaloiden sind Getreideerzeugnisse wie Mehl, Brot und Backwaren. In Deutschland können je nach Erntebedingungen vor allem Erzeugnisse aus Roggen (Roggenmehl, Roggenvollkornbrot, Roggenbrot und -brötchen), aber auch andere Getreidearten höhere Gehalte an Ergotalkaloiden aufweisen.

Wie gelangen Ergotalkaloide in Getreideerzeugnisse?

Neben den klimatischen Bedingungen beeinflussen vor allem agrartechnische Maßnahmen der Wirtschaftbeteiligten entlang der gesamten Wertschöpfungskette, von der Auswahl des Saatgutes, dem Anbau, über die Selektion der Rohstoffe bis hin zur technologischen Verarbeitung des Getreides, den Gehalt an Ergotalkaloiden. So kann zum Beispiel eine unzureichende Entfernung von Mutterkorn vor der Verarbeitung des Getreides bewirken, dass Ergotalkaloide bei Vermahlung des Getreides in Getreideerzeugnisse gelangen. Belastungen mit Ergotalkaloiden können jedoch auch nach der Reinigung des Getreides z.B. durch Bruchstücke oder durch Ergotalkaloid-belastete Stäube des Mutterkorns auftreten.

Kann man eine Belastung mit Ergotalkaloiden in Getreideerzeugnissen als Verbraucher erkennen?

Eine Belastung mit Ergotalkaloiden in Getreideerzeugnissen kann der Verbraucher nicht erkennen. Sie ist in Getreideerzeugnissen nur mit Hilfe chemisch-analytischer Methoden nachweisbar. Deshalb werden sowohl im Rahmen der regelmäßigen Lebensmittelüberwachung und im Lebensmittelmonitoring als auch durch Eigenkontrollen der Lebensmittelindustrie Ergotalkaloidgehalte in Getreideerzeugnissen unter besonderer Berücksichtigung von Roggenerzeugnissen bestimmt.

Welche Verbrauchergruppen sind durch Ergotalkaloide in Lebensmitteln besonders gefährdet?

Kinder gelten aufgrund ihres geringeren Körpergewichts im Vergleich zur Verzehrsmenge als eine empfindliche Verbrauchergruppe. Darüber hinaus werden auch Schwangere, ungeborene Kinder und Neugeborene als besonders empfindliche Verbrauchergruppen betrachtet.

Welche Maßnahmen werden zur Vermeidung einer Ergotalkaloidkontamination ergriffen?

In den Mühlen wird Mutterkorn durch verschiedene technische Maßnahmen entfernt. Allerdings kann es unter bestimmten Umständen, z.B. durch klimatische Bedingungen wie Dürreperioden, zu einer Veränderung der Form bzw. der Farbe des Mutterkorns kommen. Auf Grund dieser Veränderungen kann das Mutterkorn den Routinetechniken zur Reinigung entgehen. Erhöhte Gehalte an Ergotalkaloiden in Getreideerzeugnissen können die Folge sein. Deshalb empfiehlt das BfR die konsequente Anwendung der landwirtschaftlichen und technologischen Guten Herstellungspraktiken (GHP) mit dem Ziel, die Gehalte an Ergotalkaloiden in Roggenerzeugnissen zu minimieren. Im Vordergrund stehen hierbei Maßnahmen aller Wirtschaftsbeteiligten entlang der gesamten Wertschöpfungskette von der Auswahl des Saatgutes, dem Anbau, über die Selektion der Rohstoffe bis hin zur technologischen Verarbeitung des Roggens.

Wie können Verbraucher die Aufnahme von Ergotalkaloiden vermindern?

Verbraucher und insbesondere die empfindlichen Gruppen wie Schwangere und Kinder können die Aufnahme von Ergotalkaloiden über Brot und andere Roggenprodukte reduzieren, indem sie die Brotsorten variieren.

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