Fragen und Antworten zu Bakteriophagen

FAQ des BfR vom 6. November 2019

Bakteriophagen (Phagen) sind Viren, die ausschließlich Bakterien infizieren. Der Begriff Phage leitet sich aus dem Griechischen ab und bedeutet „Bakterienfresser“. Dabei sind Phagen in der Regel auf wenige Bakterien spezialisiert, so dass sie oftmals nur Stämme einer Spezies (z. B. E. coli) befallen und abtöten können. Es werden zwei Typen unterschieden: virulente (lytische) Phagen und temperente Phagen. Virulente Phagen befinden sich in einem Prozess, bei dem sie sich in der befallenen Bakterie vervielfachen und diese dabei auflösen. Dabei werden die neu gebildeten Phagen freigesetzt. Temperente Phagen können dagegen ihr Erbgut in das von Bakterien einbauen. Die Bakterie lebt weiter und vermehrt sich dann mit dem Erbgut des Phagen.

Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hat ausgewählte Fragen und Antworten zum Thema Bakteriophagen zusammengestellt.

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Woraus bestehen Phagen?

Phagen bestehen aus einem Kopf, der das Erbgut des Phagen beinhaltet, das mit einer Proteinhülle (Kapsid) umschlossen ist. Meist handelt es sich bei dem Erbgut um eine doppelsträngige DNA. Die am häufigsten vorkommenden Phagen besitzen neben dem Kapsid noch ein Schwanzsegment, das verschiedene Formen und Größen haben kann.

Wo kommen Phagen vor?

Phagen kommen überall dort vor, wo ihre Wirtsbakterien leben, also weltweit.  Da es etwa zehnmal so viele Phagen wie Bakterien gibt, treten Phagen häufig in sehr großer Zahl auf. So findet man im Wasser von Seen bis zu 100 Millionen Phagen pro Milliliter. In Böden können es sogar bis zu 1 Milliarde Phagen pro Gramm sein.

Sind Phagen bei oraler Aufnahme giftig?

Nein, hierfür gibt es keine Hinweise. Phagen werden täglich in großer Zahl mit der Nahrung aufgenommen, in 100 Gramm Fleisch etwa können bis zu 10 Milliarden Phagen enthalten sein.

Gibt es auch Phagen, die eine Gefahr für den Menschen darstellen können?

Ja, temperente Phagen können in seltenen Fällen Virulenz- oder Resistenzgene in ihrem Erbgut tragen und diese indirekt über Bakterien auf den Menschen übertragen. Beispiele hierfür sind das Cholera- und Diphterietoxin, welche im Erbgut temperenter Phagen lokalisiert sind. Solche Phagen besitzen die Fähigkeit, nach dem Befall einer Bakterienzelle ihr Erbgut in das des Wirtes einzubauen und mit diesem durch Zellteilung auf die Tochterzellen vererbt zu werden (lysogener Lebenszyklus). In diesem Stadium wird der eingebaute Phage als Prophage bezeichnet. Sollte der Prophage Virulenz- oder Resistenzgene enthalten, kann das befallene Bakterium die neuen Eigenschaften ausbilden, so dass es Toxine bildet oder resistent gegen Antibiotika wird. Unter Stressbedingungen wie UV-Licht kann der temperente Phage wieder in den virulenten Zyklus übergehen.

Wie geben Phagen ihr Erbgut von Bakterie zu Bakterie weiter (Horizontaler Gentransfer)?

Grundsätzlich sind temperente wie auch virulente Phagen befähigt, unspezifische Erbgut-Teile von befallenen Bakterien in Phagenköpfe einzubauen (Transduktion).

Diese Fähigkeit hängt im Wesentlichen vom Aufbau des Phagen-Erbmaterials und von der Art des Phagen ab. Temperente Phagen sind meist eher zum horizontalen Gentransfer in der Lage, da sie im bakteriellen Erbgut verweilen und so ein Austausch möglich ist.

Auch können Prophagen wieder aus dem bakteriellen Erbgut ausgeschnitten werden. Allerdings kann dies ungenau geschehen, wodurch der Phage mit angrenzenden bakteriellen Sequenzen verknüpft sein kann. Eine Weitergabe auf andere Bakterien wäre somit möglich.

Wie können Phagen genutzt werden?

Phagen können für eine Vielzahl von Anwendungen genutzt werden. Neben der sogenannten Phagen-Therapie, also der Einsatz gegen bakterielle Infektionen bei Mensch oder Tier, können Phagen gegen Krankheitserreger, die entlang der Lebensmittelkette vorkommen, verwendet werden. Dieses kann im Tier oder auf dem Acker (pre-harvest) oder bei der Verarbeitung von Lebensmitteln (post-harvest) erfolgen. Darüber hinaus können Phagen als Dekontaminationsmittel, als Probiotikum, für diagnostische Zwecke, zur Reinigung von Wasser und zur Impfstoff-Herstellung eingesetzt werden.

Gibt es schon Phagenpräparate, die in Deutschland zugelassen wurden?

Nein, aktuell gibt es keine in Deutschland oder EU-weit zugelassenen Phagenpräparate, weder zur Phagen-Therapie, noch zur Verwendung im Lebensmittelbereich. Ein Antrag zur Genehmigung eines Präparates zur Bekämpfung von Listerien in Lebensmitteln und Produktionsanlagen liegt der EU-Kommission vor, hierüber wurde aber noch nicht entschieden.

Welche Bedingungen müssen Phagen erfüllen, damit sie in Phagenpräparaten angewendet werden können?

Phagen, die zur therapeutischen Behandlung von Menschen oder Tieren oder zur Bekämpfung bakterieller Krankheitserreger innerhalb der Lebensmittelproduktion eingesetzt werden sollen, müssen eingehend biologisch und bezüglich ihres Erbguts charakterisiert sein. Es kommen für solche Anwendungen ausschließlich virulente Phagen in Frage, die mittels nicht krankmachender Bakterien vermehrt werden können. Die Phagen sollten fähig sein, sich in den befallenen Bakterien intensiv zu vermehren und viele neugebildete Phagen freizusetzen. Des Weiteren sollten sie ein breites Spektrum innerhalb der zu bekämpfenden Bakterien-Spezies aufweisen. Darüber hinaus sollten die Phagen eine hohe Stabilität gegenüber Umwelteinflüssen aufweisen und eine möglichst geringe Resistenzentwicklung in den Zielbakterien hervorrufen. Ihr Erbgut muss frei von Merkmalen sein, die eine Veränderung zu einem krankmachenden oder resistenzbildenden Bakterium begünstigen. Die Fähigkeit, Teile des Phagen-Erbguts in Bakterien zu übertragen, sollte nur gering ausgeprägt sein. Schließlich sollten die Phagen keine Allergien fördern und toxikologisch unbedenklich sein.

Wie stabil sind Phagen in der Umwelt?

Die am häufigsten vorkommenden Phagen zeigen eine recht hohe Stabilität gegenüber Umwelteinflüssen. So können sie auch über längere Zeiträume von einigen Wochen bis hin zu Jahren stabil sein, sowohl bei Trockenheit, höheren Temperaturen bis etwa 60 ºCelsius, pH-Werten zwischen etwa 5 und 9 und gegenüber Salzen. Durch UV-Licht können Phagen jedoch geschädigt werden. Außerdem ist zu beachten, dass es bezüglich der Stabilität große Unterschiede zwischen Phagen geben kann und dass die Stabilität und Aktivität von verschiedenen Faktoren abhängig ist. So lagern sich Phagen, die z. B. auf Lebensmittel gesprüht werden, meist an diese an, so dass sie nicht mehr beweglich und damit in ihrer Aktivität eingeschränkt sind.

Können Bakterien resistent gegenüber Phagen werden?

Ja, es gibt verschiedene Möglichkeiten einer Resistenzbildung von Bakterien gegenüber Phagen. Am häufigsten ist eine Resistenz durch Veränderung des Erbguts dahingehend, dass die bakteriellen Rezeptoren so verändert werden, dass die Phagen nicht mehr binden können. Allerdings wird dadurch oft auch die Fitness oder das krankmachende Potential der Bakterien verringert. Darüber hinaus können die Aufnahme und Vervielfältigung des Phagen-Erbguts verhindert und bakterielle Resistenzen durch sogenannte Restriktionsenzyme und CRISPR/Cas-Systeme hervorgerufen werden, die das in die Zelle eingedrungene Phagen-Erbgut zerschneiden und damit unwirksam machen. Es handelt sich dabei um natürliche bakterielle Abwehrmechanismen gegenüber Phagen. Dieser Mechanismus hat seinen Ursprung in Bakterien, wo er zur Abwehr fremder DNA, etwa von Phagen, dient, auch wenn er inzwischen vielen eher durch die Herstellung gentechnischer Organismen bekannt ist.

Grundsätzlich ist aber festzustellen, dass es eine quasi gemeinsame Weiterentwicklung von Bakterien und Phagen gibt. Das bedeutet, dass bei einer Resistenzbildung der Bakterien die Phagen recht leicht durch Verändern ihres Erbmaterials dieser Resistenz entgegenwirken.

Wirken Phagen auch bei Antibiotika-resistenten Erregern?

Ja, Phagen können auch antibiotikaresistente Bakterien zerstören.

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